E-Commerce

Das Online-Dilemma der Drogeriemärkte

von - 24.01.2020
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Foto: Eviart / shutterstock.com
Im Internet spielt das Drogeriesegment weiterhin so gut wie keine Rolle. Aufgrund der oft geringen Marge können meist nur ausgewählte Waren aus dem Sortiment online angeboten werden.
Mitte Juli 2019 stieg die Drogeriekette Müller mit 26 Prozent bei dem E-Commerce-Spezialisten Niceshops ein. In vielen anderen Branchen wäre eine solche Meldung schnell in Vergessenheit geraten, doch im Drogeriesegment sorgte sie für Aufsehen - zählt der Handel mit Drogerieartikeln in Deutschland doch zu den Geschäftsfeldern mit den geringsten Online-Anteilen. Der Verkauf von Toilettenpapier, Windeln und Zahnpasta biete nur geringe Margen, zudem sei die Warenkorbhöhe zu gering, so das gängige Urteil. Daher sei der Drogeriehandel eigentlich kein Online-Geschäft.
Müller betreibt seit 2013 einen Online-Shop. Wie begrenzt bisher die Ambitionen jedoch waren, wird bereits an den Einschränkungen des Angebots deutlich: Nur langsam baute Müller das Sortiment aus und zögerte dabei, Drogerieartikel im Netz anzubieten. Zudem liefert Müller bis heute Bestellungen ausschließlich in die Filialen. Wenn nun Müller-Geschäftsführer Günther Helm erklärt, mit der Beteiligung an Niceshops wolle man „den Online-Handel von Müller auf eine neue Stufe heben und aggressiv ausbauen“, besteht also noch viel Luft nach oben. Einer der ersten Schritte beim E-Commerce-Ausbau soll denn auch die Ermöglichung von Heimzustellungen sein.

Suche nach dem Mehrwert

Niceshops, das die Online-Aufholjagd von Müller möglich machen soll, ist bisher vor allem als Nischenanbieter in Erscheinung getreten. Das in der Nähe von Graz ansässige Unternehmen betreibt selbst mehr als 35 Online-Shops, ist aber auch als Logistik- und E-Commerce-Dienstleister für Her­steller tätig. Mit Sortimentsschwerpunkten in den Bereichen Freizeit, Naturkosmetik und Ernährung kommt Niceshops inzwischen auf rund 50 Millionen Euro Umsatz. „Die Idee zum Einstieg von Müller ist bei einem Besuch von Unternehmensgründer Erwin Müller an unserem Firmensitz entstanden“, berichtet Niceshops-Geschäftsführer Christoph Schreiner. Das österreichische Unternehmen habe in der Beteiligung der Drogeriekette eine Möglichkeit gesehen, das kapital­intensive Wachstum abzusichern und zu beschleunigen. Der Co-Chef von Niceshops ist davon überzeugt, dass es kein generelles Problem dabei gebe, den Drogeriehandel online umzusetzen: „Es gibt auch andere Segmente, die online derzeit noch unterrepräsentiert sind.“ In der Drogeriebranche werde sich das ändern, je mehr der Reifegrad der Online-Modelle zulege. Eine weitere Herausforderung im Drogeriebereich sei es, an profitable Warenkörbe zu kommen. Müller habe das Potenzial dazu, diese Aufgabenstellungen zu meistern - auch wegen der großen Sortimentsbreite, die weit über den Drogeriebereich hinausgehe.
Alexander Graf
Alexander Graf
Geschäftsführer bei Spryker und E-Commerce-Blogger
www.kassenzone.de
Foto: Spryker
„Die Drogerieketten werden in Zukunft keine relevante Rolle mehr spielen.“
„Dass Müller sich entschlossen hat, digitale Kompetenz ins Unternehmen zu holen, die man intern nicht so schnell hätte aufbauen können, finde ich klug“, urteilt Alexander Graf, Geschäftsführer des E-Commerce-Software-Anbieters Spryker und E-Commerce-Blogger. Die Frage sei nun, ob Müller diese gekaufte Kompetenz halten und als Hebel nutzen könne.
Denn das große Problem der Drogerieketten sei, dass man aus einer Filialdenke heraus niemals zu nachhaltig funktionierenden Online-Modellen komme - ein Sachverhalt, den Graf als „Rossmann-Dilemma“ bezeichnet. Denn bei der gleichnamigen Drogeriekette fehle es exemplarisch an fundamentalem Know-how beim Thema Online-Handel.
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