Jobs & Digitalisierung

Mittelmäßigkeit ist nicht mehr gefragt

von - 15.02.2019
Freelancer
Foto: GaudiLab / Shutterstock.com
Laut Bernd Jörs rettet nur eines viele unserer Jobs: Weiterbildung. Der Professor für Informationsökonomie erklärt im Gespräch, welche Fähigkeiten die Arbeitnehmer von morgen brauchen.
Es führt kein Weg daran vorbei: Die Digitalisierung wird unsere Arbeitswelt verändern. Doch was kommt wirklich auf uns zu – wer macht Karriere und wer muss um seinen Job bangen? Bernd Jörs, Professor für Informationsökonomie am Fachbereich Media an der Hochschule Darmstadt und Online Marketing Engineer, erklärt, was für Fähigkeiten die Arbeitnehmer von morgen benötigen.
Bernd Jörs
Prof. Dr. Bernd Jörs ist Professor für Informationsökonomie an der Hochschule Darmstadt und Online Marketing Engineer.
(Quelle: www.h-da.de )
Der Informationswissenschaftler, der 2016 vom Studierenden-Magazin „Unicum“ und KPMG zum „Professor des Jahres“ im Bereich Geistes-, Gesellschafts- und Kulturwissenschaften gekürt wurde, beschäftigt sich schon seit einiger Zeit mit diesem Thema. Er ist der Ansicht, dass wir eine Verantwortung für die nachfolgenden Generationen haben und die Veränderungen nicht einfach tatenlos hinnehmen können.
Bernd Jörs bietet neben seiner Universitätstätigkeit in seinem eigenen Unternehmen Aus- und Weiterbildungen an, insbesondere in den Bereichen Online Marketing Engineering, E-Commerce und Data Science.
com! professional: Herr Professor Jörs, die Digitalisierung ist für viele mit Sorgen verbunden. Werden wir bald alle arbeitslos sein, weil Roboter unsere Arbeit übernehmen?
Bernd Jörs: Zurzeit liefern sich Szenario-Studien zu den disruptiven, negativen Beschäftigungseffekten der Robotics und Künstlichen Intelligenz einerseits und den letztlich positiven Beschäftigungsauswirkungen andererseits einen Prognosewettkampf. Alle Berufe, die durch einen hohen Anteil an Routineaufgaben gekennzeichnet sind, die per Algorithmen-Software automatisiert werden können, sind betroffen, gemäß dem Standardmotto: Was automatisiert werden kann, wird
automatisiert werden.
com! professional: Das klingt jetzt wenig optimistisch …
Jörs: Damit die Pille nicht zu schwer zu schlucken ist, weist man lieber auf die homöopathischen Folgen für die Beschäftigten hin, im Sinne der Zuhilfenahme von Robotern als Unterstützungsinstrument der Arbeit, als Arbeitserleichterung und nicht als Substitutionsgefahr. Spätestens die bekannte, nahezu menschenfreie Factory 56 des Daimler-Konzerns in Sindelfingen – von den Mitarbeitern schon jetzt als „fear factory“ bezeichnet –, die robotergestützte Lagerautomatisierung bei Amazon oder die Speedfactory von Adidas weisen in eine andere Richtung. Es könnten hier noch Dutzende andere Beispiele angeführt werden.
com! professional: Und welche Branchen sind von dem Wandel besonders betroffen?
Jörs: Alle Branchen sind und werden betroffen sein. Und zwar massiv. Die Frage „Werden wir bald alle arbeitslos“ kann insoweit verneint werden, denn das Wort „alle“ sollte mit einem Nebensatz verbunden werden: alle, die keine höherwertige einschlägige Qualifikation besitzen, sich nicht ständig weiterqualifizieren oder sich mit schlecht bezahlten einfachen Jobs zu Niedriglöhnen abfinden. Mittelmäßigkeit ist nicht mehr gefragt, auch im akademischen Qualifikationssegment nicht.
com! professional: So manche Prognose geht davon aus, dass jeder zweite Job in den kommenden 20 Jahren verschwinden wird. Halten Sie das für realistisch?
Jörs: Ich tue mich schwer mit Prognosen, schon aus rein wissenschaftlich-methodischen Gründen. Die jetzige Aufmerksamkeitsökonomie verlangt geradezu nach sensationsheischenden Nachrichten, egal ob falsch oder wahr.
Das World Economic Forum schätzt, dass bis zu 50 Prozent der heutigen Arbeitsplätze in den nächsten zehn Jahren weltweit nicht mehr existieren, dass in den nächsten drei Jahren mehr als 5 Millionen Arbeitsplätze allein in Deutschland durch KI und Algorithmen verloren gehen. Allerdings sollen bis 2025 die weltweit durch Digitalisierungsprozesse wegfallenden gut 75 Millionen Arbeitsplätze durch 133 Millionen neue Jobs sogar per Saldo kompensiert werden.
Selbst der Branchenverband Bitkom schätzte vor Kurzem, dass die Digitalisierung bis 2022 gut 3 Millionen Arbeitsplätze kosten könnte. Prognosen sind ein gutes Geschäft.
Verwandte Themen