Kampf um Europas Start-up-Krone

Hilft der Brexit deutschen Gründern?

von - 26.06.2017
Brexit
Foto: shutterstock.com/nito
Der Austritt der Briten aus der EU lässt Start-ups in Deutschland hoffen. Sie wollen von der Unsicherheit im Rennen um Talente und Märkte profitieren. Löst Berlin London als Gründermetropole ab?
Kurz nach der historischen Abstimmung gab sich die deutsche Start-up-Branche betroffen - konnte dem Brexit aber doch etwas Gutes abgewinnen. Den EU-Ausstieg der Briten feiere niemand, so der Bundesverband Deutsche Start-ups im vergangenen Juni. Doch immerhin könnten nun Wachstumsfirmen aus Großbritannien nach Deutschland kommen. London habe sich im Rennen um Europas Start-up-Hauptstadt "selbst disqualifiziert" und werde künftig "wohl nur noch eine untergeordnete Rolle spielen", hieß es selbstbewusst.
Seit dem Brexit-Votum am 23. Juni 2016 ist unklar, ob britische Firmen weiter Zugang zum Europäischen Binnenmarkt haben und EU-Ausländer ohne Hürden im Königreich arbeiten können. Genug Anlass für Gründer, besorgt zu sein. Doch ein Jahr nach dem Brexit-Votum verzeichnet die hiesige Start-up-Branche zwar ein höheres Interesse an Deutschland, eine Umzugswelle bleibt aber aus.
"Wir bekommen mehr Anfragen aus Asien und den USA, die bisher London als klare Nummer Eins in Europa gesehen haben", sagt Stefan Franzke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung "Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie". Deutschland gelte international als Hort der Stabilität in schwierigen Zeiten, etwa mit US-Präsident Trump.

Keine Flucht von Firmen nach Deutschland

Auch Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups, zieht eine positive Bilanz. "Das Interesse ausländischer Arbeitskräfte an Berlin ist ungebrochen." Start-ups in Großbritannien mache nicht nur die Unsicherheit bei der Rekrutierung von Talenten zu schaffen. "Sie fragen sich auch, wo sie ihre Produkte künftig anbieten wollen - in Großbritannien oder auf dem gesamten Europäischen Binnenmarkt."
Doch von einer Flucht von Firmen nach Deutschland kann keine Rede sein. Übergesiedelt von Großbritannien nach Berlin seien erst fünf Start-ups, sagt Franzke. Ähnliches berichtet die Wirtschaftsförderung Frankfurt. Zwar steige das Interesse am Standort am Main, doch es gebe keinen messbaren Umzugseffekt. Dabei müht sich die Finanzstadt mit dem Brexit mächtig, nicht nur Londoner Banker, sondern auch junge Finanzfirmen anzuziehen. Auch die Wirtschaftsförderungen Hamburg und München verzeichnen mehr Anfragen, aber keine Standortverlagerungen.
Sebastian Schäfer, Geschäftsführer des Frankfurter Start-up-Zentrums "Tech Quartier", dämpft die Erwartungen. "London ist nach dem Brexit zwar nicht mehr alleine die erste Wahl", sagt er. Jetzt gehe es aber darum, die schlausten Köpfe auch zu gewinnen. "Das wird nicht von heute auf morgen geschehen, sondern einige Jahre dauern." Er berichtet von kaum einer Handvoll konkreten Anfragen aus dem Ausland.
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