Neuland 2.0

Merkel geht mit Digitalisierung in den Wahlkampf

Quelle: Foto: 360b / Shutterstock.com
29.03.2017
Die CDU-Parteispitze macht sich bereit für den Wahlkampf. Unter dem Motto "Digitales Deutschland 2025" konsultierten die Politiker rund um Kanzlerin Merkel ausgewählte Tech-Experten zu den digitalen Aufgaben der Zukunft.
Wo im biederen Konrad-Adenauer-Haus sonst der CDU-Vorstand tagt, will Peter Tauber an diesem Abend hippe IT-Start-up-Atmosphäre schaffen. Der CDU-Generalsekretär hat etwa 30 Gründer aus dem Internetbereich in die Berliner Parteizentrale geladen, ein paar Netzpolitiker und auch einen Youtube-Star. Die Experten sollen der Parteispitze unter dem Motto "Digitales Deutschland 2025" bei der Antwort auf die Frage helfen, was die Politik in den nächsten vier Jahren in diesem Bereich besonders dringend anpacken sollte.
Denn es ist Wahlkampfzeit - und Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt in kaum einer Rede ohne das sperrige Wort Digitalisierung aus.
Ein DJ legt Musik auf, von der man sich hier vorstellt, dass sie in IT-Kreisen gerne gehört wird. Es gibt frische Burger und Getränke aus der Flasche. Die Gäste - ein paar in Turnschuhen, die meisten in Kostüm und Anzug, dürfen auch auf kleinen weißen Sitzwürfeln Platz nehmen. Jeder von ihnen hat drei Minuten Zeit für seine Thesen. An der Seite zählt eine Stoppuhr die Sekunden herunter. Im Hintergrund malt ein Mann im grauen Anzug zu jedem der Vorträge in rot, blau und schwarz wolkige Live-Visualisierung auf eine Pinnwand - Graphic Recording nennt man diese moderne Art der Dokumentation in der Szene.
Spannend, unterhaltsam und auch ein wenig nett solle der Abend werden, verspricht Tauber zu Beginn. Schließlich gelte der Satz von "der Frau, die die Raute erfunden hat" noch immer: Als "Neuland" hatte Parteichefin Merkel das Internet mal bezeichnet und dafür ziemlich viel Spott einstecken müssen.

Digitalisierung steht für Innovation und Zukunft

Tauber, dessen Internet-Begeisterung manchem Konservativen immer noch suspekt vorkommt, verteidigt seine Chefin. Schließlich müssen Merkel und er auch den CDU-Mitgliedern erklären, dass Digitalisierung nicht mit Ängsten und Sorgen, sondern mit Innovation und Zukunft verbunden sei. Neuland eben. Und das bei einem Altersdurchschnitt von knapp über 60.
Viel ist von Mut zu Neuem, digitaler Bildung und Gründertum von den "digital natives" zu hören, den Vertretern jener Generation, die mit Computer und Internet in der digitalen Welt aufgewachsen ist. "Der digitale Intelligenzquotient in Behörden und Regierungsstellen ist förderwürdig", klagt eine junge Frau, die im Netz eine Spendenplattform und einen Thinktank gegründet hat. Nötig sei nicht nur ein Internetminister, auch ein "Digital-Dienstleister" für Regierung und Behörden müsse her.

Digitalisierung als Option für jedermann

Später kommt der Youtuber, der "von echt vielen jungen Leuten, die im Internet gerne mit Politik in Berührung kommen würden", schwärmt. Und die Forderung erhebt, dass man als Anbieter von Internet-Filmen online "gehen kann, ohne dass man zu Tode reguliert wird". Oder der Digital-Berater, der eine Verdopplung des Wehretats von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fordert, weil von der militärischen Cyber-Entwicklung der zivile Markt profitiere. Gut, dass Generalsekretär Tauber schon am Anfang klar gemacht hat, nicht alle Ideen würden sofort ins Wahlprogramm aufgenommen.
Als dann die Vertreterin einer Stiftung aus Großbritannien die Innovations-Probe macht und jene Anwesenden zum Aufstehen auffordert, die bereit wären, ganz aufs Bargeld zu verzichten, bleibt Angela Merkel sitzen - so wie etwa ein Drittel der anderen Zuhörer.
Mit der Erklärung, warum sie nicht aufgestanden sei, gibt Merkel in den nächsten Minuten einen tiefen Einblick in ihre Gedankenwelt. Warum solle sie denn gleich ganz aufs Bare verzichten, fragt sie die verblüffte Rednerin. "Lassen Sie mir noch ein bisschen Bargeld in der Tasche, für zehn Jahre", sagt Merkel leicht entrüstet ins Mikrofon. "Dann würde ich sofort dabei sein, wenn ich morgens bloß mein Kärtchen an die U-Bahn halten muss. Das würd' ich machen."

Analoger Rückhalt in einer digitalen Welt

Aber für die Sicherheit, da wolle sie doch lieber ein wenig Bargeld dabei haben, sagt die Kanzlerin und wählt zur Veranschaulichung eine Anspielung auf die geliebte Datsche in der Uckermark. "So, wie ich heute noch immer Kohlen habe und einen Ofen, irgendwo auf dem Lande. Weil ich gerade denke, wenn es mal ganz kalt wird und die Elektrizität ausfällt", erklärt Merkel ihre ganz eigene Art von analogem Sicherheitsbedürfnis: Dann "hast Du noch was in petto".
Und für alle, die die Verbindung zur konkreten Politik nicht sofort verstanden haben, schiebt sie hinterher: "Ich glaube, die Deutschen überzeugt man nicht, indem man sagt: Alles oder nichts. Sondern indem man es ihnen als Option gibt. Und wenn's bequemer ist, wenn sich's bewährt, werden sie's auch machen. Das ist jedenfalls mein Motto."

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