VR-Welten zwischen Hype und Praxis

Virtual Reality für Teams

von - 07.12.2017
VR: Stark steigender Absatz
Stark steigender Absatz: Bis 2021 sollen rund 67 Millionen VR-Brillen einen Käufer finden.
(Quelle: IDC )
Ein großer Schwachpunkt vieler VR-Systeme für den industriellen Bereich ist ihre mangelnde Teamfähigkeit. Sollen sich mehrere Teilnehmer im selben virtuellen Raum bewegen, ist ein erheblicher Aufwand zu treiben. Jeder Anwender benötigt eine eigene Workstation mit Hochleistungskomponenten, eine Lizenz der VR-Software und eine Kopie der verwendeten CAD-Daten, die über ein weiteres System synchronisiert werden müssen. Zudem sind die Headsets per Kabel mit den Workstations verbunden, man kann sich also nicht frei im Raum bewegen, ohne Kabelsalat zu riskieren.
Eine Möglichkeit, zumindest das letzte Problem zu lösen, sind sogenannte Backpack-PCs – leistungsfähige, akkubetriebene Endgeräte, die über ein Tragesystem (Harness) auf dem Rücken getragen werden können. Solche Systeme sind beispielsweise von der deutschen Firma Schenker Technologies (XMG Walker), von MSI (VR One), Zotac (VR GO) und Hewlett Packard (Z VR Backpack) erhältlich.
Eine andere Option, ohne Kabel gemeinsam in eine VR-Welt einzutauchen, bieten sogenannte CAVEs (Cave Automatic Virtual Environment). Bei der bereits 1992 vorgestellten Technologie werden 3D-Bilder auf eine oder mehrere Wände eines Raums projiziert. Die Bewegungen der Nutzer im Inneren der „Höhle“ werden registriert und die virtuelle Welt wird entsprechend verändert. Für das stereoskopische Sehen genügen handelsübliche 3D-Shutter-Brillen. Eine Weiterentwicklung stellt die CAVE2 dar, die vom Electronic Visualization Laboratory (EVL) an der University of Illinois at Chicago (UIC) entwickelt wurde. Ihre Wände bestehen aus 3D-LCD-Bildschirmen mit einer Gesamtauflösung von bis zu 74 Megapixeln. Anbieter von CAVE-Systemen sind beispielsweise die Firmen Mechdyne und Visbox. Die Preise für CAVE-Systeme sind in den vergangenen Jahren stark gesunken. „Musste man vor fünf Jahren für eine CAVE mit einer einseitigen Projektionsfläche noch rund 400.000 Euro rechnen, erhält man portable Einseitensysteme heute bereits ab 30.000 Euro“, sagt Michael Grethler, Leiter der Forschung bei der Bechtle-Tochter SolidLine AG. Eine qualitativ hochwertige Einseiten-CAVE mit Tracking-System schlage mit rund 50.000 bis 80.000 Euro zu Buche, so Grethler weiter.
Dr.-Ing. Martin H. ­Rademacher
Abteilung Daten-Kontroll-Modell/ Toleranz-Management bei Audi
www.audi.de
Foto: Audi AG
„Unsere These ist folgende: Entscheider, die sich den Prototypen in der virtuellen Welt ange­sehen haben, vertrauen stärker auf die zugrunde liegenden 3D-Daten, die sonst häufig infrage ­gestellt werden.“
Eine flexible Alternative zur CAVE stellt die Holodeck-Plattform dar, die Nvidia im Mai 2017 angekündigt hatte. Das System soll es Teams erlauben, gemeinsam in einer virtuellen Umgebung zu arbeiten. Es basiert auf der Unreal En­gine 4 von Epic Games, der Nvidia-Middleware GameWorks und den API- beziehungsweise Library-Sammlungen VRWorks und DesignWorks. Die leistungsfähige Hardware muss mindestens mit einem Intel-Core-i7-6700K-Prozessor sowie einer Grafikkarte vom Typ Quadro P6000, Geforce GTX 1080Ti oder Titan Xp ausgestattet sein. Zur GPU Technology Conference (GTC) Europe 2017, die im Oktober 2017 in München stattfand, öffnete Nvidia Holodeck offiziell für 3D-Designer und lud sie ein, ihre Modelle in die Plattform zu importieren.
Das Nvidia Holodeck ist allerdings nicht die einzige VR-Lösung, die sich mit ihren Namen auf die Science-Fiction-Serie Star Trek bezieht. So setzt beispielsweise das Large Scale VR/ LS Holodeck des Stuttgarter 3D-Spezialisten Light­shape zwar auch Nvidia-Grafikkarten ein, hat aber sonst keine direkte Verbindung zu der gleichnamigen Lösung des GPU-Spezialisten. „Unser Projekt hat schon zu Zeiten der Oculus DK2 begonnen, noch bevor HTC die Vive an den Markt brachte“, sagt Robin Wenk, Geschäftsführer der Lightshape GmbH und Co. KG. Das System wurde unter anderem in gemeinsamen Projekten mit Audi entwickelt und soll noch im ersten Quartal 2018 auch als Produkt für andere Kunden, vorrangig aus der Industrie, zur Verfügung stehen. Bei der Lösung können nicht nur mehrere Entwickler zusammen im selben physischen Raum virtuell interagieren, es lassen sich auch mehrere Systeme via Internet miteinander verbinden. „Damit können dann Entwicklerteams und Entscheider von überall auf der Welt in einer ‚VR Conference‘ zusammenarbeiten“, sagt Wenk.
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