Aus Produkten werden Dienstleistungen

Im Gespräch mit Mark Alexander Schulte, Senior Consultant IDC Deutschland

von - 24.05.2018
Der Wechsel vom Produkt zum Service scheint unaufhaltsam. Mark Alexander Schulte, Senior Consultant bei IDC Deutschland, skizziert im Interview mit com! professional die Chancen und Herausforderungen dieser Entwicklung.
com! professional: Herr Schulte, herkömmliche Produkte werden heute zunehmend in Dienstleistungen umgewandelt oder um solche ergänzt. Schätzen Sie dies als kurzfristigen Trend ein oder als nachhaltige Entwicklung?
Mark Alexander Schulte: Ich bin überzeugt, dass sowohl Shared Economy als auch Servi­tization nachhaltige Entwicklungen sind und wir hier erst am Anfang stehen. Laut unserer aktuellen Studie zum Thema Internet of Things in Deutschland wollen Unternehmen den Anteil vernetzter Produkte von heute
21 auf 34 Prozent im Jahr 2021 erhöhen. Wir sehen hier für Unternehmen große Chancen, ihr Geschäft auszuweiten.
com! professional: Was sind die Treiber dieser Entwicklung?
Schulte: Wesentlich ist, dass die Margen im klassischen Produktgeschäft – aus dem viele Unternehmen ja kommen – immer kleiner werden und es also zunehmend schwieriger wird, damit Geld zu verdienen. Deshalb wird es immer attraktiver, Services um die Produkte herum zu entwickeln, denn die versprechen dann auch neue Umsatzquellen.
com! professional: Welche Folgen hat Servitization für die IT?
Schulte: Die Rolle der IT im Unternehmen verändert sich grundlegend. Wurde die IT bei einem Autohersteller vor 15 Jahren ausschließlich für interne Zwecke zur Verbesserung der Geschäftsprozesse genutzt, können Kunden schon seit einigen Jahren ihre Autos über das Internet individuell konfigurieren – hier ist man das erste Mal Richtung Kunde gegangen. Aktuell wird die IT Teil des Endprodukts. Aus dem ehemals dummen Auto wird ein vernetztes, intelligentes Auto. Und im nächsten Schritt bildet sich um das vernetzte Auto herum ein ganzes Ökosystem von Partnern und Unternehmen, die an den entstehenden Daten partizipieren wollen.
com! professional: Wie hoch ist das Disruptionspotenzial dieser Servitization? Zerstört es traditionelle Wertschöpfungsketten?
Schulte: Zerstörungspotenzial finde ich zu überspitzt, aber es ist ein fundamental neues Konzept. Die Entwicklung hin zu Servitization verschiebt Verantwortlichkeiten in der Wertschöpfungskette. Ein Maschinenbauer, der seine Geräte vernetzt und das Ergebnis als Service anbietet, trägt beispielsweise zusätz­liche Risiken. Der Kunde muss nun nicht mehr die Services und Instandhaltungsarbeiten übernehmen, sondern dies liegt in der Verantwortlichkeit des Herstellers. Um diesen Service anbieten zu können, muss dieser auch Kompetenzen und Personal aufbauen.
com! professional: Gibt es Branchen, die besonders von der Servitization betroffen sind?
Schulte: Maschinen und Anlagenbau zählen zu den Vorreitern. Aber diese Entwicklung betrifft alle Hersteller von Produkten und Gütern, die einen gewissen Wert haben.
com! professional: Welche Rolle spielen IoT und Smart Services für die Servitization?
Schulte: Aus unserer Sicht steckt in der Einbindung des Internet auf Things in die Produkte sehr viel Musik drin. Das IoT ist ein Kernelement, das die Servitization heute erst konsequent ermöglicht. Dass die Produkte vernetzt sind, dass sie eine gewisse Intelligenz mitbringen, ist letztlich eine Voraussetzung, um innovative Servicekonzepte zu verwirklichen. Unsere IoT-Studie hat allerdings ergeben, dass viele Unternehmen das Potenzial noch nicht vollständig erkannt haben. Sie setzen IoT zwar ein, aber vor allem zur internen Optimierung von Prozessen und Abläufen. Für die Weiterentwicklung ihrer Produkte und die Etablierung von Services, die dem Kunden Mehrwerte bieten und neue Umsatzquellen erschließen, wird IoT noch kaum genutzt. Ich würde mir wünschen, dass Unternehmen auch diesen nächsten Schritt machen.
com! professional: Auf was sollten Unternehmen besonders achten, wenn sie Produkte in Services transformieren?
Schulte: Der Transformationsprozess umfasst zahlreiche wich­tige Punkte. Zum einen muss im Fall der Service-Ergänzung die Produkt-Hardware weiterentwickelt, mit Sensoren ausgestattet und vernetzt und intelligent werden. Dann sollte man sich überlegen, welchen Mehrwert die Daten entwickeln, die das Produkt erzeugt, und welche Services man darauf aufsetzen will. Wenn dann das Service-Konzept steht, ist natürlich auch Personal notwendig, um es umzusetzen.
Auch für den Vertrieb ist die Servitization eine Umstellung, denn es macht einen Unterschied, ob ich ein Produkt vertreibe oder eine Dienstleistung. Aber ich bin überzeugt, dass sich Unternehmen, die die Transformation frühzeitig angehen, vom Wettbewerb deutlich differenzieren können.
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