Aus Produkten werden Dienstleistungen

Servitization bei Rolls-Royce

von - 24.05.2018
Geschäftsmodelle
Geschäftsmodelle: Serviceorientierte Business-Modelle haben mehr Kundenkontakte, was sich unmittelbar positiv auf den Umsatz auswirkt.
(Quelle: Opportunity – Fakten für Entscheider)
Die Ursprünge der Servitization-Idee reichen bis in die 1960er-Jahre zurück. Rolls-Royce benutzte den 1962 geprägten Slogan „Power by the hour“ als Markenzeichen für die Idee, ein Turbojet-Triebwerk als Dienstleistung zu verkaufen. Die Fluglinien als Kunden bezahlen dabei für die Dienstleistung, die das Triebwerk erbringt, also nur für die Zeit, in der das Flugzeug fliegt. Rolls Royce macht bei diesem Geschäftsmodell den größten Teil der Gewinne – anstatt klassisch aus dem Produkt – mit Dienstleistungen.
Das servicezentrierte Angebot von Rolls-Royce umfasst die Bereitstellung des Triebwerks sowie die Überwachung, Wartung und Reparatur für dessen gesamte Lebensdauer. Für die Fluglinien hat das vor allem vier Vorteile:
  • reduzierte finanzielle Risiken
  • planbare Betriebskosten
  • erhöhte Verfügbarkeit der Triebwerke
  • regelmäßige Verbesserungsmaßnahmen
Aber auch für Rolls-Royce selbst weist dieser Business-Ansatz eine ganze Reihe von Pluspunkten auf:
  • gestiegener Umsatz
  • stetigerer Erlösestrom
  • von Konjunkturschwankungen unabhängigere Erlöse

Kulturwandel um den Kunden

Servitization bedeutet also nicht zwingend, dass Produkte verschwinden. Aber die Nutzung der Produkte ändert sich tief greifend: Zum einen differenzieren Dienstleistungen im Rahmen von Produkt-Service-Systemen die etablierten Produkte und machen sie dadurch für den Kunden interessanter. Zum anderen können Services eigenständig, das heißt auch außerhalb des etablierten Produktgeschäfts angeboten werden.
Der Wechsel von produkt- zu servicezentrierten Geschäftsmodellen bedeutet einen grundsätzlichen Kulturwandel. In Unternehmen mit produktorientierten Geschäftsmodellen werden Produkte in einem relativ abgeschotteten Umfeld entwickelt. Der Kunde kann den Produktionsprozess kaum beeinflussen. Die Kundenbeziehung endet nach dem Kauf meist bereits an der Ladentheke, Möglichkeiten der Rückmeldung gibt es nur wenige.
Bietet das Unternehmen jedoch statt seiner Produkte – oder zusätzlich zu den Produkten – kundenzentrierte Services an, muss es zwangsläufig zahlreiche, nachhaltige und stabile Kundenkontakte und Interaktionen geben. Anstatt einer Sell- and-Forget-Haltung ist das Service-Business durch eine längere, kontinuierlichere und intimere Beziehung zum Kunden gekennzeichnet. Diese Kundennähe ist für traditionelle Unternehmen eine neue Erfahrung und hat einschneidende Konsequenzen.
Bei der Einführung von Services muss grundsätzlich vom Kunden ausgegangen werden und dann rückwärts in Richtung Technologie geplant werden. Dazu braucht ein Service-Anbieter ein umfassendes Verständnis des Nutzers, seiner Verhaltensweisen und Ansprüche.
Jedes serviceorientierte Unternehmen muss sich daher detailliert mit den Bedürfnissen seiner Kunden auseinandersetzen – und den Übergang vom kurzfristigen Transaktionsgeschäft hin zu einem langfristigen Relationship-Business bewältigen. Das erfordert Mut zur Disruption: Es geht darum, Traditionen zu hinterfragen, ein „Andersdenken“ zu entwickeln und die Perspektive zu wechseln. Bewährtes muss infrage gestellt und Schritt für Schritt neue Strukturen eingeführt werden.
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