Aus Produkten werden Dienstleistungen
Musterbeispiel IT-Branche
von Johann Scheuerer - 24.05.2018
Der Trend zur Servitization durchzieht so gut wie alle Branchen. Die Entwicklung betrifft sämtliche Hersteller von Produkten und Gütern, die einen gewissen Wert haben, weiß IDC-Experte Schulte. Eine der beeindruckendsten Service-Transformationen hat sich in den vergangenen Jahren in der IT vollzogen. Mit Cloud-Services stellen Anbieter standardisierte IT-Leistungen schneller und kostengünstiger bereit, als Unternehmen das mit ihrer internen IT selbst leisten könnten. Sie erreichen das über die hochgradige Automatisierung ihrer Rechenzentren, Standardisierung und eine optimale Auslastung ihrer Ressourcen.
Dass Kunden kaum mehr bereit sind, hohe Zahlungen für Hardware-Ausstattung oder Software-Lizenzen zu leisten, hat die gesamte Hard- und Software-Branche binnen weniger Jahre grundlegend verändert. Infrastructure as a Service ersetzt unternehmenseigene Hardware wie Server oder Speichersysteme, aus früher gekauften Software-Lizenzen wird Software as a Service und Entwicklungsplattformen werden in Platform as a Service transformiert.
Der Nutzen für die Unternehmen ist immens: Sie sparen sich den teuren Kauf von Hardware und Software, die aufwendige Wartung, den Betrieb und die turnusmäßige Erneuerung. Betriebswirtschaftlich gesehen entfallen die üblichen Anfangsinvestitionen (CAPEX), durch den Bezug der Cloud-Dienste entstehen lediglich laufende Kosten (OPEX).
Service ohne Grenzen
Die Verbreitung von Carsharing-Diensten wie ZIP Car, Car2Go und alternativen Taxidiensten wie Uber und Lyft zeigt, dass die Transformation von Produkten in Services sich nicht auf die IT-Branche beschränkt. Wir erleben damit den Beginn des Übergangs vom Autobesitz zur Mobilität als Dienstleistung. Die zunehmende Nutzung von Carsharing-Angeboten geht mit einem rückläufigen Bedarf am eigenen Auto einher. Die Fahrzeughersteller bereiten sich daher darauf vor, ihre Geschäftsmodelle von der Automobilproduktion auf die Erbringung von Mobildienstleistungen umzustellen.
Selbst konventionelle und eher dienstleistungsferne Branchen werden von der Servitization überrollt. Hilti verkauft in einem neuen Geschäftsmodell keine Bohrmaschinen mehr, sondern „Löcher as a Service“. Kompressor-Hersteller Kaeser bietet mit dem Einbau von Sensoren in seine Industrie-Druckluftkompressoren „Druckluft as a Service“ an. Und das britische Unternehmen ICI-Nobel hat sogar Sprengungen in eine Dienstleistung umgewandelt.
Dass Servitization kein neues Phänomen ist, darauf macht Tim Baines von der Aston Business School aufmerksam, der sich als Wissenschaftler mit dem Thema beschäftigt. Bereits in den 1990er-Jahren hat IBM erkannt, dass Software und Dienstleistungen mehr Wert haben als Hardware. Die Verschiebung führte zumindest in den ersten Jahren zu konstanten Umsätzen, höheren Gewinnen und engeren Kundenbindungen.