PSD2 ist Initialzündung für mehr Wettbewerb

Im Gespräch mit Jano Koslowski und Marc Schmitt von Deloitte (Teil 2)

von - 17.09.2019
com! professional: Gibt es auch außerhalb typischer Bankgeschäfte positive Effekte?
Schmitt: Ja, Kunden profitieren auch beim Einkaufen: Das Bezahlen ist mit der PSD kostenfrei geworden. Dank des sogenannten Surcharging-Verbots dürfen Händler Zahlungsformen nicht mehr mit Gebühren
Marc Schmitt
Marc Schmitt: Senior Manager financial Service be Deloitte
(Quelle: Deloitte )
belegen. Kostenfallen, etwa 10 Euro Aufschlag für die Online-Zahlung einer Reise mit Kreditkarte, gehören damit der Vergangenheit an. Die Zahlungsform kann der Kunde jetzt frei von Preisanreizen des Verkäufers ganz nach eigener Interessenlage wählen.
com! professional: Im Rahmen der zweiten Stufe der PSD2 müssen die Banken eine Schnittstelle zur Verfügung stellen, über die alternative Zahlungsdienstleister auf die Kontodaten der Kunden zugreifen können. Wie weit sind die Banken mit der Umsetzung dieser Anforderung?
Koslowski: Die Finanzhäuser arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung und haben erhebliche Budgets dafür bereitgestellt. Man darf nicht vergessen, dass sie diese Leistung für den Wettbewerb erbringen, ohne dafür eine unmittelbare Gegenleistung zu erhalten. Das hat schon einen starken regulatorischen Beigeschmack. Auf jeden Fall ist die Umsetzung dieser Vorgaben ein Kraftakt für die etablierten Banken, aber auch für die Nichtbanken, die bereits im Markt sind und ihre Angebote nun auf neue technische Plattformen und Verfahren adaptieren müssen.
com! professional: Sehen Sie auch Vorteile für die Banken?
Koslowski: Letztendlich beschleunigt die PSD2 die digitale Transformation der Banken massiv. Ich würde sogar sagen, sie ist die Initialzündung für das Open Banking. Das bringt den Häusern Vorteile, die schnell genug darauf reagieren können. Viele Banken haben parallel zu den bestehenden Strukturen Digitalbanken gegründet. Der Markt ist in Bewegung gekommen. Das wäre ohne diesen Wettbewerbsdruck nicht möglich gewesen. Angesichts der aktuellen Margenschwäche hätten die Finanzinstitute diesen Prozess wahrscheinlich nicht aus freien Stücken derart massiv vorangetrieben.
Schmitt: Ein Ziel der PSD2 ist es ja auch, die Wettbewerbschancen zu vereinheitlich. Bisher waren die alternativen Zahlungsdienstleister nicht reguliert, was für die etablierten Banken, die eine Vielzahl von Bestimmungen beachten müssen, einen erheblichen Wettbewerbsnachteil darstellte. Nun fallen auch die neuen Payment-Provider unter die Regulierung, was auf der einen Seite den Wettbewerb fairer macht, auf der anderen Seite aber auch dem Verbraucherschutz dient.
Koslowski: Die Endkundensicht ist hier sehr wichtig. Das Vertrauen in den Zahlungsverkehr ist ganz entscheidend. Da reguliert die PSD2 stark nach.
com! professional: Werden dadurch nicht neue Markthürden aufgebaut?
Koslowski: Durchaus, die regulatorischen Vorgaben sind erheblich und auch sehr kostenintensiv. Ich halte das aber für den richtigen Weg, denn das Vertrauen in den Zahlungsverkehr ist existenziell für alle Marktteilnehmer.
com! professional: Wie profitieren die Endkunden konkret davon?
Schmitt: Ein gutes Beispiel ist die Sofortüberweisung, die die Klarna-Tochter Sofort als Alternative zu anderen im E-Commerce üblichen Bezahlverfahren anbietet. Bisher befand sich der Kunde dabei ein Stück weit im rechtsfreien Raum, denn er musste seine PIN und eine TAN an Sofort übergeben - eigentlich ein Verstoß gegen die AGB seiner Bank, die ihn zur Geheimhaltung dieser Daten verpflichteten.
Die PSD2 beseitigt die Rechtsunsicherheit bei der Nutzung von Zahlungsauslösediensten wie Sofort. Sie erfolgt zukünftig standardisiert über eine definierte Schnittstelle und ist dank der für Online-Bezahlvorgänge vorgeschriebenen Zwei-Faktor-Authentifizierung auch deutlich sicherer als in der Vergangenheit.
com! professional: Haben denn auch die neuen Anbieter Vorteile von der PSD2?
Schmitt: Das kommt darauf an, ob sie schon vor Inkrafttreten der Richtlinie im Markt waren und jetzt ihre bestehenden Angebote an die veränderten Bedingungen und Verfahren anpassen müssen oder mit der Regulierung ganz neu an den Start gehen. Mittel- bis langfristig werden alle neuen Anbieter profitieren, weil die Banken ihnen europaweit Zugänge zur Verfügung stellen müssen, was es den alternativen Zahlungsdienstleistern sehr viel einfacher machen wird, ihre Services grenzüberschreitend anzubieten. Da die Regulierung aber keine konkreten technischen Standards vorgibt, wird es im ersten Schritt sozusagen noch keinen einheitlichen „Schlüssel“ geben, der den Datentresor einer jeden Bank aufschließen kann.
Über die gesamte EU betrachtet haben sich drei wesentliche API-Standards herausgebildet, mit denen ein Großteil der Banken erreicht wird, aber leider nicht alle. In Deutschland ist das übrigens flächendeckend das Framework der sogenannten Berlin Group.
com! professional: Wie reagiert der Markt auf die neuen Möglichkeiten?
Schmitt: Es wird sicher viele neue Angebote und Anbieter geben. Die Möglichkeit, als Zahlungsauslösedienst zu fungieren, ist ja nicht nur für typische Start-ups und Fintechs interessant, sondern auch für Handelsunternehmen und Technologiekonzerne. Beispielsweise könnte ein Online-Händler als Zahlungsauslösedienst selbst eine zusätzliche Bezahloption anbieten, für die er - im Unterschied etwa zur Kreditkartenbezahlung - seine Gebührensitua­tion optimieren kann. Umgekehrt werden Banken über die regulierten Dienste hinaus kostenpflichtige Mehrwertdienste anbieten und so den Weg zum Open Banking beschreiten.
Koslowski: Auch im Retail und bei den Discountern ist das Inte­resse sehr groß. Wenn man bedenkt, dass ein Discounter seine Rendite in der achten Nachkommastelle managt, spielt jede mög­liche Kostenreduktion im Zahlungsverkehr eine große Rolle.
com! professional: Gibt es noch Lücken in der Regulierung, die die EU vielleicht mit einer PSD3 schließen müsste?
Schmitt: Es ist sicher noch zu früh, das zu beurteilen. Noch sind wir ja mitten in der Umsetzung. Die nächsten Monate und Jahre müssen zeigen, welche Auswirkungen die neuen Regeln im Markt haben und wie sie sich in der Praxis bewähren.
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