NFC kann und wird nicht scheitern

NFC-Technik eignet sich nicht nur für Smartphones

von - 21.03.2015
Apple Pay: iPhone 6 und 6 Plus sind die ersten Apple-Smartphones mit NFC. Derzeit ist der Einsatz aufs mobile Bezahlen beschränkt.
Apple Pay: iPhone 6 und 6 Plus sind die ersten Apple-Smartphones mit NFC. Derzeit ist der Einsatz aufs mobile Bezahlen beschränkt.
com!: NFC wird praktisch nur mit dem Smartphone in Verbindung gebracht. Eignet sich die Technologie denn nicht auch für andere Geräte und Objekte?
Reeh: Überall, wo ich zwischen zwei Geräten schnell eine Datenverbindung einrichten will, ist NFC sinnvoll. Möchte ich etwa bei Freunden meine Urlaubsbilder von der Digicam auf dem großen Fernseher zeigen und sind beide Geräte mit einem NFC-Chip ausgestattet, so genügt es, Kamera und Fernseher kurz miteinander zu tappen. Automatisch wird dann Bluetooth zur Übertragung der Bilddateien konfiguriert.
Ein anderes Einsatzszenario wäre ein Gast-WLAN zu Hause für Besucher mit eigenem Tablet und verbautem NFC-Chip im WLAN-Router. Allerdings gestaltet sich die Adap­tion von NFC im Consumer-Bereich eher schleppend, da viele Akteure auf den Durchbruch bei den Smartphones warten.
NFC steht für Near Field Communication, auf Deutsch Nahfeldkommunikation. Die NFC-Technik zum Datenaustausch zwischen Geräten, die nah aneinandergehalten werden, arbeitet mit einer Frequenz von 13,56 MHz. Es ist theoretisch eine Reichweite von bis zu 10 cm möglich. In der Praxis funktioniert NFC aber nur 2 bis 3 cm weit. Die Datenübertragungsrate liegt bei 106 bis 424 KBit/s.
Passive NFC-Sender, also NFC-Chips ohne eigene Stromversorgung, bezeichnet man als NFC-Tags. Solche NFC-Tags gibt es in zahlreichen Varianten, zum Beispiel als dünne Aufkleber, Plastikkarten, Schlüsselanhänger oder Armbänder.
Der Begriff Tappen leitet sich ab von dem englischen „to tap“, was so viel bedeutet wie antippen oder auch anklopfen. Im Zusammenhang mit NFC meint Tappen, dass man das Smartphones oder andere NFC-fähige Lesegeräte auf vier Zentimeter oder näher an ein NFC-Tag heranbringt. Daraufhin wird automatisch die Verbindung aufgebaut und das NFC-Tag wird ausgelesen.
com!: Besteht die Gefahr, dass anderen Technologien NFC noch den Rang ablaufen?
Reeh: Die NFC im vergangenen Jahr am häufigsten gegenübergestellte Technologie heißt Bluetooth Low Energy (BLE), auch Beacon genannt. Durch den Einsatz von kleinen BLE-Funkbaken können Smartphones aus mehreren Metern Entfernung mit individuellen Push-Informationen versorgt werden. Zum Einsatz kommen soll BLE im Bereich Location Based Services und Mobile Marketing. Damit könnte es in vielen Use Cases eine sinnvolle Ergänzung zum Pull-Medium NFC darstellen (und umgekehrt).
Für sicherheitsrelevante Applikationen wie Payment, Access- oder ID-Management bietet NFC aufgrund der deutlich kürzeren Funkreichweite sowie der korrespondierenden Secure-Element-Infrastruktur klare Vorteile.
NFC-Tags nennt man kleine Aufkleber, Plastikkarten oder Schlüsselanhänger, die einen NFC-Chip ohne eigene Stromversorgung haben.
NFC-Tags: NFC-Tags nennt man kleine Aufkleber, Plastikkarten oder Schlüsselanhänger, die einen NFC-Chip ohne eigene Stromversorgung haben. Die Tags haben zwei Kernkomponenten: den eigentlichen NFC-Chip und Drahtschleifen, die als Funkantenne und als Induktionsschleife dienen.
com!: Müsste NFC nicht eigentlich der Ausgangspunkt für umfassende Anwendungskonzepte sein statt nur ein Zwischenschritt oder eine Lösung für ein Pro­blem?
Reeh: Das ist zwar ein schöner Gedanke, doch ich wäre froh, wenn NFC überhaupt in jedem beworbenen Anwendungsfall ein echter Problemlöser wäre. Allerdings könnte NFC sehr wohl ein Umdenken in den IT-Konzernen unterstützen, weg von zu viel technischer Finesse hin zu mehr Usability und besserer User Experience.
Da beide Aspekte den unbekannten Faktor namens Kunde in die Entwicklung mit einbeziehen, spreche ich flexiblen, interdisziplinären und kreativen Anwendungskonzepten die größten Erfolgsaussichten zu. Das ist jedoch leichter gesagt als getan. Gerade bei den Themen NFC und Mobile Business reden wir von komplexen, weitverzweigten Erlösnetzwerken, die für alle Beteiligten recht neu sind und bereits jetzt viel Goodwill vom Entwicklungsvorstand einfordern.
com!: Welche Rolle kann NFC bei der digitalen Transforma­tion spielen, die alle Branchen und Unternehmen erfasst hat und die in den nächsten Jahren einen massiven Umbau von Geschäftsprozessen und Geschäftsmodellen mit sich bringen wird?
Reeh: Megatrends wie das Internet der Dinge, Big Data und Industrie 4.0 haben zumindest immer zwei erfolgsnotwendige Komponenten: innovative Technologien und innovative Verwendungszusammenhänge.
Touch & Travel: Bei der Deutschen Bahn ersetzt das Handy dank NFC die Fahrkarte.
Touch & Travel: Bei der Deutschen Bahn ersetzt das Handy dank NFC die Fahrkarte.
NFC ist in diesem Gesamtgefüge digitaler Ökonomien sicher nur ein kleines Rädchen, doch womöglich das Missing Link, um den Verbraucher umfassend und niederschwellig in smarte Systeme zu integrieren. Für gewinnbringende mobile Geschäftsmodelle bedarf es dann, neben der erwähnten User Experience, jedoch auch ganzheitlicher Enterprise-Mobility-Strategien, die auf Prozess- wie Entscheidungsebene weit mehr erfordern, als das bloße Einbinden von NFC als weiteren Kanal im Multi-Channel-Mix.
Für kleine Firmen und Start-ups ist die Kalkulation sicher eine andere, da NFC als internationaler Standard First Movern ein hohes Markt- und Differenzierungspotenzial bietet. Welche NFC-Anwendung Teil des nächsten Facebook ist, wird uns die Zukunft zeigen. Sicher ist: Viele NFC-Anwendungen werden sich im professionellen Umfeld schneller durchsetzen als im Endkundenmarkt, da es sich bei Firmen gewissermaßen um zentral administrierte Insellösungen handelt, die einfacher flächendeckend zu implementieren und zu konfigurieren sind.
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