Von Zugpferden und Bremsklötzen

Direktschaltung zum Kunden

von - 20.01.2021
Sorgenbarometer
Sorgenbarometer: ITC-Anbieter erwarten für die nächsten Jahre knappe Budgets ihrer Kunden - mit Folgen für Innovationsprojekte.
(Quelle: Computerworld Schweiz Top 500; 2020: n = 309, 2019: n = 316; max. 5 Antworten sind möglich)
bbv Software weist darauf hin, dass die Neukundengewinnung herausfordernder geworden ist. Die bisherigen Akquisitionskanäle und -methoden seien von einem Tag auf den anderen weggefallen. Bei den bestehenden Kunden ist die Situation anders. Zu ihnen scheint sich die Beziehung durch Corona eher verstärkt zu haben, sagt Geiser von aspectra. Ihm zufolge ist die Kommunikation mit den Kunden direkter geworden. Gerne würden sich IT-Mitarbeiter hinter Chats, Tickets und E-Mails verstecken, mit dem Homeoffice sei die Bereitschaft nach gesprochenem und visuellem Austausch aber wieder gestiegen.
Auch bei Adesso findet die Kommunikation mit den Kunden nun vorwiegend über Collaboration-Tools mittels Chat und Videoconferencing statt. Die Zusammenarbeit sei so fokussierter als vor Corona, da für jede Besprechung gezielt ein Meeting aufgesetzt werden müsse. Die potenzielle Verfügbarkeit der Ansprechpartner sei ebenfalls gestiegen.
Bei Avectris erfolgen der Kontakt zu den Kunden und die Zusammenarbeit nun ebenfalls meistens virtuell. Bei vielen Kunden habe man zusätzlich einen Vertreter als Berater und direkte Schnittstelle in deren Krisenstäbe entsendet, berichtet Avectris.

Innovationsprojekte leiden

Gemäß den Ergebnissen der aktuellen Top-500-Erhebung von Computerworld haben Hype-Themen wie die Blockchain, Augmented und Virtual Reality sowie Künstliche Intelligenz mit der Corona-Krise an Bedeutung verloren. Stattdessen stehen Kernaufgaben wie die Modernisierung der IT-Infrastruktur wieder im Vordergrund. Das ist nachvollziehbar: Wer weiß denn schon, wie lange die Krise anhält und wie lange Maßnahmen wie etwa Kurzarbeit aufrechterhalten werden müssen? Da konzentriert man sich besser auf das, was wirklich wichtig erscheint.
Dass Firmen während Corona Innovationsprojekte kurzfristig einfrieren, sei verständlich, erklärt Adesso-Manager Langer. Auf längere Sicht gesehen sei es aber essenziell, sich in Krisenzeiten neu zu erfinden und diese zukunftsträchtigen Projekte nicht zu vernachlässigen. Die Bedeutung neuer Technologien sei durch die Krise aber nicht kleiner geworden, betont man bei Ergon: Distributed Ledger, Augmented Reality und Artificial Intelligence würden Chancen bieten, die den Anwenderunternehmen Wettbewerbsvorteile bringen. Kundenprojekte könne man trotz Corona fristgerecht abschließen, manche sogar schneller als vorgesehen. Eine digitale Bezahllösung für die Liechtensteinische Landesbank sei für den Sommer 2020 geplant gewesen, aber bereits Mitte April live gegangen.
Geiser sieht das kritischer: „In den letzten Jahren machte die Branche vermehrt übermotivierte Versprechen zu Themen wie AI/AR und Fintech.“ Seit Corona hätten gerade Innovations- und Pilotprojekte Mühe, sich zu entwickeln. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich solche Projekte eher schlecht für das Homeoffice eignen.
„Viele Kunden überlegen sich gut, ob sie ein Projekt stoppen“, ergänzt Avectris-Mann Kupsky. Denn ein Stopp führe immer zu höheren Kosten. Bei den Kunden von Avectris würden aber die meisten Projekte wie geplant weiterlaufen. Auch InfoGuard teilt mit, trotz Corona alle Fristen einhalten zu können. Bei EveryWare gibt es ebenfalls keine Verzögerungen. Die längeren Lieferfristen für bestimmte Hardware-Komponenten seien aber deutlich spürbar, schreibt das
Unternehmen.

Balanceakt - Ausgang ungewiss

Entscheider in Anwenderunternehmen werden nun also noch genauer abwägen müssen, wie sie die voraussichtlich schrumpfenden Budget-Töpfe am besten verteilen. „In Kri­sen­­situationen muss der Fokus auf dem Liquiditäts­management liegen“, bringt es bbv-CEO Kronenberg auf den Punkt. Alle Vorhaben seien daher im Kontext der Un­sicherheit zu prüfen - und eventuell zu stoppen, zu stunden oder zu beschleunigen. 
Tanja Schöller, Head of Marketing & Business Development Manager bei itesys, warnt davor, Projekte wie eine S/4HANA-Migration wegen Corona zu vernachlässigen. Ein Workshop könne helfen, nicht zu viel Zeit zu verlieren und mit einer Roadmap den Weg vorzubereiten. Es braucht also einen Mittelweg. Dazu rät auch Karl Heinz Mosbach, Geschäftsführer von ELO Digital Office: „Ich glaube, man wird eine Balance finden müssen, wichtige, langfristige Projekte nicht abzuwürgen und gleichzeitig andere Projekte konsequent in Angriff zu nehmen, um das Überleben eines Unternehmens zu sichern“, lautet sein Fazit.
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