New Work - arbeiten, wann und wo man will

Teilzeit

von - 02.06.2020
Kamp um die 35-Stunden-Woche
Kampf um die 35-Stunden-Woche: Anfang der 1980er-Jahre wurde für die Verkürzung der Arbeitszeit gestreikt - heute wünschen sich Arbeitnehmer Vertrauensarbeitszeit und -ort.
(Quelle: IG Metall)
Doch nicht nur bei Bike Citizens werden weniger Wochenstunden gearbeitet. Die klassische 40-Stunden-Woche hat in vielen Bereichen schon länger ausgedient. So fanden in der Metallindustrie bereits Anfang der 80er-Jahre die ersten Streiks für die 35-Stunden-Woche statt - „Arbeit soll menschlicher werden“ lautete damals der Slogan.
Viele möchten allerdings gerne noch weniger arbeiten - und sind bereit, dafür auf den ein oder anderen Euro zu verzichten. Sie entscheiden sich für ein Teilzeitmodell. „Der Wunsch nach einer verkürzten oder flexi­blen Arbeitszeit ist weit verbreitet - auch unter Führungskräften“, konstatieren die Experten der Personalberatung Robert Half. Die Erwartungshaltung, dass erfolgreiche Mitarbeiter rund um die Uhr erreichbar sein müssten und nur dann produktiv seien, wenn sie an fünf Tagen jeweils acht Stunden arbeiten, sei nicht mehr zeitgemäß: „Unternehmen müssen umdenken und anerkennen, dass Teilzeitkräfte gemessen an ihrer Arbeitszeit nicht weniger leisten als ihre Kollegen in Vollzeit.“
Lange war in vielen Unternehmen zwar ein Wechsel in eine Teilzeitstelle möglich, doch für den Weg zurück zu Vollzeit war man auf was Wohlwollen des Arbeitgebers angewiesen. Das seit Anfang vergangenen Jahres geltende Brückenteilzeitgesetz bietet hierfür eine Lösung: Es liefert die Grundlage, dem Wunsch eines Angestellten nach weniger Arbeitszeit zu entsprechen, ohne dass dieser dabei in der Teilzeit­falle gefangen ist. Angestellte können für einen begrenzten Zeitraum mit reduzierter Stundenzahl arbeiten und anschließend in eine Vollzeitstelle zurückkehren. Der Hauptgrund für die Rückkehr in Vollzeit ist laut der „Arbeitsmarktstudie 2018“ von Robert Half übrigens für 60 Prozent der Teilzeitler das höhere Gehalt, gefolgt von Veränderungen der persönlichen Lebenssituation.

Jobsharing

Im Zusammenhang mit dem Thema Teilzeit ist häufig auch von Jobsharing die Rede. Wie der Begriff bereits andeutet, teilen sich bei diesem Modell zwei oder mehr Arbeitnehmer in Teilzeit einen Vollzeitjob. Die reduzierte Arbeitszeit für den Einzelnen ist allerdings auch schon die einzige Gemeinsamkeit von Teilzeit und Jobsharing. Beim Jobsharing arbeiten die Kollegen als Team sehr eng zusammen und legen ihre Arbeitszeiten und Aufgaben individuell untereinander fest. Durch die enge Zusammenarbeit sind ganz andere Arbeitsweisen möglich, weswegen sich Jobsharing für mehr Jobs eignet als das klassische Teilzeitmodell. So werden zum Beispiel Führungstätigkeiten, die in Teilzeit nur schwer realisierbar sind, durch Jobsharing teilzeittauglich.
Eine besondere Form des Jobsharings ist das sogenannte Hybrid Jobshare - ein Modell, wie es zum Beispiel die Spitzen von SPD und Grünen für sich entdeckt haben: Hier delegiert man einen Arbeitsplatz an zwei Mitarbeiter, die diesen beide in Vollzeit besetzen. Was erst einmal nur nach doppelten Kosten klingt, kann sich durchaus auszahlen: Die Kollegen nehmen ihrem Wissen und ihrer Stärken gemäß die anfallenden Aufgaben wahr.

Schwierige Umsetzung

Gespaltenes Urteil über Großraumbüros
Soziale Kontrolle und weniger Produktivität: Großraumbüros finden nicht bei allen Mitarbeitern Anklang.
(Quelle: Bitkom Research "New Work: Wie arbeitet Deutschland?", September 2019 (n = 1.002) )
Über kurz oder lang wird wohl nahezu jedes Unternehmen seitens der Mitarbeiter mit der Frage konfrontiert werden, ob, wann und wie sich die Arbeitsbedingungen verändern werden. Viele Firmen tun sich jedoch schwer damit, selbst das Thema Homeoffice ist oft genug noch ein rotes Tuch.
Markus Klups sieht die Gründe dafür auf verschiedenen Ebenen: „Fehlendes Vertrauen, Unkenntnis bezüglich der bestehenden technischen Möglichkeiten, die Überzeugung, dass bestimmte Aufgaben einfach nicht von zu Hause aus gehen, sowie das Grundverständnis, dass die Arbeit im Büro, im Werk oder wo auch immer vor Ort stattfinden muss.“
Laut Detlef Gerst von der IG Metall liegt einer der Gründe darin, dass wir es gewohnt seien, uns während der Arbeit persönlich zu begegnen. „Das hat auch viele Vorteile: beispielsweise die vielen zufälligen Begegnungen, die sich als sehr hilfreich für die eigene Arbeit herausstellen und die einen Nährboden bilden für Innovationen.“ Dies sei auch der Grund dafür, dass heute viele Unternehmen über Raumkonzepte nachdächten, die solche Begegnungen gezielt fördern. Wenn Beschäftigte in größerem Umfang aus dem Homeoffice arbeiten wollten, dann bräuchten sie organisatorische und auch technische Voraussetzungen, um persönliche Begegnungen und Gespräche trotzdem zu ermöglichen. Hier fehle vielen Unternehmen noch die Erfahrung, „aber teilweise auch schlicht die Fantasie“. Darüber hinaus ist es Gerst zufolge immer noch so, dass in vielen Betrieben ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber der Disziplin und der Ehrlichkeit der Mitarbeiter im Homeoffice herrsche. Es sei aber davon auszugehen, dass diese „Misstrauenskultur“ durch die wachsende Erfahrung mit mobiler Arbeit weiter schwinden werde.
Jens Wiesner
Jens Wiesner
Inhaber der Organisationsentwicklung
WirksamSein
www.wirksam-sein.de
Foto: WirksamSein / Jens Wiesner
„Arbeitnehmer und Unternehmen werden vermehrt zu Partnern auf Zeit. Wichtig ist, dass beide während dieser Partnerschaft optimal voneinander profitieren.“
Das Corona-Virus sorgt momentan dafür, dass sich viele Unternehmenslenker neuen Arbeitsmodellen öffnen (müssen) und die Vorteile, die Homeoffice mit sich bringen kann, erleben. „Eine Kundin hat mir vor Kurzem davon berichtet, dass es plötzlich relativ normal sei, eine Telefonkonferenz mit Kollegen am späteren Abend abzuhalten. Dann nämlich sind die Kinder im Bett und man kann sich noch einmal voll auf den Job konzentrieren“, berichtet WirksamSein-Inhaber Jens Wiesner. Zukünftig würden Arbeitszeiten und -orte vermehrt den Anforderungen der Menschen folgen. Jedoch: „Der selbstverständliche Wille, Leistung zu erbringen, spielt hierbei eine wichtige Rolle. Wer diesen nicht mitbringt, wird sich schwertun.“ Ebenso müsse das Zusammenspiel der jeweils beteiligten internen und externen Mitarbeiter ergebnisorientiert gestaltet werden. Eine Disziplin, in der viele Unternehmen noch dazulernten, so Jens Wiesner.
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