5G-Slicing schafft neue Business-Chancen

Network Slicing

Bei 5G stehen nicht ausschließlich die höheren Bandbreiten im Mittelpunkt. Die weitaus inte­ressantere Neuerung ist vielmehr die Fähigkeit zur sogenannten Netzwerkvirtualisierung, dem Network Slicing. Mit dieser Technik lassen sich die Frequenzbänder von 5G virtuell partitionieren und damit die unterschiedlichen Nutzungsszenarien in kleinen, virtuellen Mobilfunknetzen abbilden.
So haben Nutzer, Unternehmen und Anwendungen einen sehr individuellen Bedarf an Datenraten, Geschwindigkeiten und Kapazitäten im Mobilfunknetz. Zum Beispiel hat die M2M-Kommunikation (Machine to Machine) kritischer Infrastrukturen in der Regel keine Toleranzen in Bezug auf Latenz und Netzwerkausfälle. Die Video-Übertragung verkraftet hingegen kurze Verzögerungen oder Aussetzer, stellt dafür aber hohe Ansprüche an die verfügbare Bandbreite.
Network Slicing erlaubt es den Mobilfunk­anbietern, ihre 5G-Infrastruktur oder Teile davon anwendungsbezogen bereitzustellen, also als eigenes virtuelles Netz mit individuellen Eigenschaften wie einer zugesicherten Datenkapazität oder Reaktionszeit (Latenz). Mit Network Slicing können 5G-Anbieter unterschiedliche Zielgruppen mit bedarfsgerechten und individuellen 5G-Netzwerken versorgen. Für diese In­frastruktur-Virtualisierung des 5G-Netzes setzt das Network Slicing auf drei Technologien:
5G-NR-Standard (5G New Radio): Dieser Mobilfunkstandard entkoppelt die Funktionalität der Software von der Hardware-Infrastruktur eines 5G-Mobilfunkanbieters, damit sich beide Schichten separat voneinander aktualisieren lassen
Software-defined Networking (SDN): SDN-Technologie virtualisiert und partitioniert das Edge- und Core-Netzwerk, um die Konnektivität dynamisch in Software zu implementieren
Network Functions Virtualization (NFV): NFV virtualisiert Netzwerkfunktionen durch die Trennung der Dienste von den physischen Netzwerkressourcen auf standardisierten Netzwerkgeräten, um sie dann durch Software auf standardisierten Compute-Knoten provisionieren zu lassen.

Praxisbeispiel I: Hafenanlagen

Hafen im Gegenlicht
Praxisbeispiel I: Network Slicing versorgt im Hamburger Hafen IT-Anlagen und Boote mit einem eigenen 5G-Netz.
(Quelle: Hamburg Port Authority)
In der Praxis wird das Network Slicing bereits vielfach ausprobiert. Die Hamburg Port Authority, Betreiber von Hamburgs Hafenanlagen, testet das Network Slicing im Rahmen eines zweijährigen Pilotprojekts. In Zusammenarbeit mit Nokia und der Deutschen Telekom haben mehrere Feldversuche gezeigt, dass sich komplexe mobile Anwendungen mit sehr unterschiedlichen 5G-Anforderungsprofilen mit Hilfe von Network Slicing unter einen Hut bringen lassen und zuverlässig funktionieren. Dazu wurden auf dem Hamburger Fernsehturm, dem Heinrich-Hertz-Turm, in 150 Metern Höhe 5G-Antennen montiert, die das gesamte Hafengebiet abdecken. Ein Einsatzszenario erprobte die Fernwartung von IT-Anlagen mit Hilfe von 5G und einer VR-Brille. Die Zuteilung der Bandbreite erfolgte durch Network Slicing. Auch die Schiffe der Hamburger Flotte, zu der etwa Boote der Wasserschutzpolizei und Feuerlöschboote gehören, nutzen das 5G-Netz. Sensoren an Bord messen etwa Daten zu Luftqualität oder Windstärke und schicken sie an eine Leitzentrale.
„Wir haben durch das Testbed jetzt einen ersten Eindruck bekommen, welches enorme Potenzial uns 5G und insbesondere die Möglichkeit des Network Slicings bieten wird“, resümiert Jens Meier, CEO der Hamburg Port Authority, die bisherigen Erfahrungen mit 5G. Und Projektleiter Hendrik
Roreger von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg freut sich: „Wir haben durch das Forschungsprojekt einen großen Vorsprung bekommen.“

Praxisbeispiel II: Autoproduktion

Vodafone EGo 5G-Fabrik
Praxisbeispiel II: In der Produktionshalle von e.GO Mobile versorgt Network Slicing die einzelnen Fertigungsbereiche mit individuellen 5G-Netzen.
(Quelle: Vodafone)
In der Fabrik des Elektroautoherstellers e.GO Mobile schafft Network Slicing die Voraussetzungen zur Gewährleistung bedarfsgerechter Konnektivität in den verschiedenen Bereichen der Fertigung. Der Schwerpunkt liegt derzeit auf der Steuerung autonomer Transportfahrzeuge und dem digitalen Materialmanagement. In Zukunft sollen auch Drehmoment-Werkzeuge und Roboter Anschluss an das individuelle 5G-Netz erhalten. Insgesamt 36 kleine 5G-Mobilfunk-Antennen garantieren in der 8500 Quadratmeter großen Produktionshalle Bandbreiten im GBit-Bereich so­wie niedrige Latenzzeiten von wenigen Millisekunden.

Skepsis in der Industrie

Für die deutsche Wirtschaft steht eine ganze Menge auf dem Spiel. „Für den Industriestandort Deutschland ist 5G eine Schlüsseltechnologie“, so Achim Berg vom Digitalverband Bitkom. „Sehr hohe Geschwindigkeiten und ultrakurze Reak­tionszeiten sind die Basis für die smarte Fabrik. Die deutsche Industrie bekommt mit 5G einen enormen Schub.“ Auch Walter Goldenits, Geschäftsführer Technologie bei der Deutschen Telekom, lobt die Vorzüge von 5G: „Die Latenzverzögerungen im Netz sind mit dieser Technologie Geschichte.“
Die Industrie in Deutschland selbst ist in Bezug auf 5G eher geteilter Meinung. Jedes zweite Industrieunternehmen ab 50 Mitarbeitern schätzt die künftige 5G-Verfügbarkeit zwar als wichtig ein, wie eine Umfrage von Bitkom im Mai dieses Jahres ergab. Genauso viele vertreten demnach allerdings die gegenteilige Meinung. Bei Großkonzernen ab 2000 Mitarbeitern ist die Bedeutung von 5G rund zwei Dritteln der Entscheidungsträger bewusst. Doch jeder Dritte meint, das Thema 5G werde „in der öffentlichen Diskussion aktuell massiv überschätzt“.
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