Künstliche Intelligenz als Produktionsfaktor

Wichtige Randbedingungen

von - 07.12.2018
Doch noch läuft bei KI längst nicht alles reibungslos. So können rund 80 Prozent der Unternehmen laut IDC schlicht ihren Bedarf an KI-Experten nicht decken. Und bei der Mitgliederumfrage des VDI anlässlich der Hannover Messe räumten 74,7 Prozent der Befragten fehlende Kompetenzen für die effiziente KI-Nutzung ein. Ähnlich hemmend wirkt sich der Mangel an hochwertigen Daten aus. Der Großteil der Daten, die den meisten Organisationen zur Verfügung stehen, ist „dunkel“: unstrukturiert und unbenutzt – und dennoch potenziell voller wertvoller Einsichten. Das entscheidende Kriterium im Einsatz kognitiver Technologien stellt für Unternehmen deshalb die Fähigkeit dar, mit Hilfe von KI „Daten in geistiges Eigentum zu transformieren“. Zu diesem Schluss kommt die Anfang 2018 veröffentlichte PwC-Studie „Künstliche Intelligenz als Innovationsbeschleuniger im Unternehmen: Zuversicht und Vertrauen in Künstliche Intelligenz“. Mehr als 70 Prozent der befragten Entscheider stufen Künstliche Intelligenz demnach als „den ausschlaggebenden Geschäftsvorteil der Zukunft“ ein. 54 Prozent der CEOs bestätigen, dass KI die Produktivität in ihrem Unternehmen bereits erhöht habe.
Der Weg hin zu guten und glaubwürdigen Ergebnissen maschinellen Lernens führe immer über gute Daten, die zudem in ausreichender Menge vorliegen müssten, betonte Konstantin Greger, Sales Consultant bei Tableau Germany, anlässlich der Vorstellung der IDC-Studie „Künstliche Intelligenz und Machine Learning in Deutschland 2018“. Ohne gesundes und tief gehendes Verständnis dieser Daten, ihrer Limitierungen, Fehler und Unzulänglichkeiten würde ein Algorithmus diese immer ins Endergebnis weitertragen und möglicherweise sogar verstärken; systematische Fehler, sogenannte Bias, seien dabei nicht auszuschließen.
Greger rät deshalb vom Einsatz derartiger Methoden ohne die Einbettung in eine Datenstrategie unbedingt ab. Eine Datenstrategie muss aus seiner Sicht unter anderem die Punkte Erfassung, Sammlung, Vorhaltung, Qualitätssicherung und Zurverfügungstellung umfassen. Der finale Entscheidungsfindungsprozess sollte zudem den gesunden menschlichen Verstand mit einbeziehen und es ermöglichen, rein algorithmische Entscheidungen zu verwerfen. Seien diese Randbedingungen gegeben, stellten KI und Methoden des maschinellen Lernens eine „faszinierende Bereicherung existierender Datenanalysemethoden“ dar und könnten „ zu fundamental neuen oder erweiterten Erkenntnissen und Einblicken führen“.
Ob diese Randbedingungen für die deutsche Wirtschaft derzeit gegeben sind, darüber lässt sich streiten. Accenture steht auf dem Standpunkt, die Gesetzgebung in der EU bremse die Wirtschaft eher aus. Regelwerke wie die Datenschutz-Grundverordnung stellten sich nicht ausreichend auf den Wandel der geopolitischen Rahmenbedingungen ein und behinderten Unternehmen in der Wahrnehmung ihrer digitalen Wachstumschancen, bemängelt das Analystenhaus.
Die Transformation ist ja auch ohne regulatorische Hindernisse schon kompliziert genug. „KI/ML kann eine Achterbahn sein“, kommentiert Gartner-Research-VP Alexander Linden. Es sei ein „sehr verwirrender Bereich“ – selbst für „die größten und fortschrittlichsten Organisationen“. Deutsche ITK-Anbieter haben aus dieser Herausforderung allerdings einen Image-Vorteil herausgearbeitet. So hat sich beispielsweise die Deutsche Telekom einen Ethikkodex für Künstliche Intelligenz auf die Fahnen geschrieben.

Fazit & Ausblick

Das Aufkommen von KI ebnet Firmen den Weg für zahlreiche neue Betriebs- und Geschäftsmodelle, darüber herrscht Einvernehmen. Gartner-Experte Alexander Linden empfiehlt Unternehmen, bei KI-Projekten an ihren Geschäftsanforderungen anzusetzen. Diese Vorgehensweise erleichtere das Auswählen der KI-Lösung(en). Die Entscheidungsträger sollten bei der Auswahl systematisch vorgehen, um alle Möglichkeiten auszuloten. Denn für allgemeine beziehungsweise indus­trieweite Problemstellungen seien eventuell bereits „vorge­backene Lösungen“ verfügbar. Diese würden ihren Nutzern zwar „keine signifikante langfristige Wettbewerbsdifferenzierung bieten“, seien aber möglicherweise als Startpunkt durchaus gut geeignet. Insgesamt erfordere die KI-gestützte Wertschöpfung eine ganz neue Denkweise in vielen Bereichen. In diesem Sinn steckt KI sicher noch in den Kinderschuhen.
Völlig offen sind daher auch noch die Auswirkungen von KI auf die Arbeitsplätze. Zumindest die Berufsbilder dürften sich verändern. So erwartet Gartner, dass jeder fünfte Beschäftigte bis 2022 eine KI-System als Kollegen zur Seite haben wird. Ängste vor massenhaften Jobverlusten hält PwC in seinem Bericht zu den Auswirkungen der Nutzung von Künstlicher Intelligenz für „über­zogen“. Zwar seien laut einer OECD-Studie mittelfristig knapp 20 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland durch Künstliche Intelligenz bedroht, aber zugleich würden neue Produkte und Services und damit auch neue Aufgabenbereiche entstehen, geben sich die PwC-Analysten optimistisch.
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