Künstliche Intelligenz als Produktionsfaktor

Cyber Valley Stuttgart-Tübingen

von - 07.12.2018
Cyber Valley Stuttgart-Tübingen: Bosch finanziert einen Lehrstuhl für Maschinelles Lernen
(Quelle: Bosch)
Beispielhaft für solche Anstrengungen ist das Cyber Valley Stuttgart-Tübingen, eine Forschungskooperation auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz, die auf Initiative der Max-Planck-Gesellschaft Ende 2016 entstanden ist. Seither fließen dorthin Investitionen aus privater wie öffentlicher Hand. Die deutsche Wirtschaft ist mit Amazon, BMW, Bosch, Daimler, IAV Automotive Engineering, Porsche und ZF Group vertreten. Angeschlossen haben sich zudem die Universität Stuttgart und die Eberhard Karls Universität Tübingen. Der vom Land Baden-Württemberg geförderte Forschungsverbund gilt mittlerweile als der größte seiner Art in Europa. Allein die Bosch-Gruppe sponsert Cyber Valley in den kommenden zehn Jahren mit 5,5 Millionen Euro. Das Unternehmen konnte diesen Sommer mit Professor Matthias Hein einen Spitzenwissenschaftler auf dem Gebiet des maschinellen Lernens an den Bosch-Stiftungslehrstuhl in Baden-Württemberg holen.
Im Oktober 2017 hatte Amazon sein Interesse bekundet, sich an Projekten des Cyber Valley zu beteiligen. In einer strategischen Kooperation von Amazon und Max-Planck-Gesellschaft entsteht zudem ein Forschungszentrum für KI beim Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Tübingen. Die renommierten Max-Planck-Wissenschaftler Bernhard Schölkopf, Direktor der Abteilung für Empirische Inferenz, und Michael J. Black, Direktor der Abteilung für Perzeptive Systeme, sollen das neue Forschungszentrum als Distinguished Amazon Scholars unterstützen. Die Schwerpunkte liegen auf Robotik, ML und maschinellem Sehen. Amazon zahlt der Max-Planck-Gesellschaft 420.000 Euro pro Jahr im Rahmen der Amazon Research Awards (ARA). Die Max-Planck-Gesellschaft möchte damit die Forschung von Doktoranden und Post-Doktoranden finanzieren, um „die Ausbildung hochqualifizierter Nachwuchskräfte im Bereich der Künstlichen Intelligenz weiter (zu) verstärken“, so Professor Schölkopf.
Probefahrt: Nvidia, Daimler und Bosch betreiben in der San-Francisco-Bay-Area Pilotprojekte für KI-gestütztes Carsharing (Car2go), Ride-Hailing (Mytaxi) und autonomes Fahren (Moovel).
(Quelle: Bosch)
Erklärtes Ziel von Cyber Valley ist es, die Ergebnisse der Grundlagenforschung rasch zur Anwendung zu bringen. „Nur wenn wir Spitzenforschung und Unternehmergeist zusammenbringen, entsteht der Nährboden für Innovationen, die sich später einmal als technische Durchbrüche erweisen können“, erklärt Max-Planck-Präsident Martin Stratmann. Forscher bekommen im Cyber Valley deshalb die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse in Start-ups selbst zu kommerzialisieren. Die öffentlich-private Risikokapitalgesellschaft High-Tech Gründerfonds hat bereits 489 Investitionen im Umfang von 886 Millionen Euro in Hightech-Start-ups aus den Bereichen Robotik, Automatisierung und Virtual Reality getätigt.
Die Erkenntnisse der erwähnten PwC-Studie scheinen Investitionen in KI-Start-ups durchaus zu legitimieren. Neue, innovative Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen sollen nämlich mit 6,71 Prozentpunkten fast 60 Prozent des Zuwachses beim KI-getriebenen BIP-Wachstum bewirken und damit deutlich mehr als die Produktivitätsfortschritte, die durch KI selbst möglich werden (4,56 Prozentpunkte).
Beispiele für Wertschöpfung mit KI
Die zunehmende Praxistauglichkeit Künstlicher Intelligenz und ihre transformatorische Bedeutung für viele Branchen zeigen diese Beispiele KI-gestützter Wertschöpfung:
Operative Effizienz: Start-ups wie Arago, 5Analytics, N-Join und KONUX nutzen KI zur Prozessautomatisierung; SAP-Partner Arago transformiert zu diesem Zweck Erfahrungswerte.
Einkauf: KI hebt laut KPMG verdeckte Einsparpotenziale. Der KI-Chatbot Ada von Tradeshift etwa automatisiert anspruchsvolle Beschaffungsaufgaben wie Datenklassifizierung.
Service: Die Sematell GmbH entwickelt RepyOne, eine KI-gestützte Response-Management-Technologie für Unternehmen wie 1&1.
Vertragswesen: Plattformen wie SAP Leonardo und SAP Ariba bringen Licht in die Komplexität von Geschäftsbeziehungen.
Selbstlernende Robotik: Maschinen in der Fertigung lernen Bewegungsabläufe durch Nachahmung; die Software MIRAI des Start-ups Micropsi Industries ermöglicht es Robotern, sich selbst­ständig neuen Situationen anzupassen, um mit Menschen in unvorhersehbaren Situationen Hand in Hand zu arbeiten.
Personalisierung: Die Kölner goedle.io GmbH widmet sich der Vorhersage des Kundenverhaltens und der Individualisierung.
Bilderkennung: Das Berliner Start-up Omni:us (früher: Search­Ink) bietet der Versicherungsindustrie maschinelles Lernen als einen Dienst zur Erkennung von gedruckten und handschriftlichen Dokumenten an; Firmen sollen damit schon bis zu 80 Prozent Zeit und bis zu 75 Prozent Kosten gespart haben.
Objektwahrnehmung: Die Fahrassistenztech­nologie Drive Pilot von Mercedes Benz beherrscht – erstmals in einigen 2018er-Modellen – Dinge wie autonome Spurwechsel dank KI-Auswertung von 360-Grad-Radar- und Ultraschall-Sensorik.
Betrugsbekämpfung: Start-ups wie Risk Ident bekämpfen Betrug im E-Commerce, unter anderem bei Baur, Otto, Reifen.com, Deutscher Telekom und Vodafone.
MatWerk (Materialwissenschaft und Werkstofftechnik): Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer MDS, Fraunhofer-In­stitut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS) und Deutsches Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI) entwickeln Materialien und Werkstoffe, wie sie die Industrie 4.0 braucht.
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