Ohne Chatbots und KI geht nichts mehr

Krieg der Chatbots

YourMD
Your.MD: Benutzer der App plaudern mit dem Chatbot über ihre Gesundheit – und erhalten dann kostenfrei eine Vorabdiagnose zu ihren Krankheitssymptomen.
Die Entwickler von Chatbots haben inzwischen die Qual der Wahl: Über 100 Frameworks buhlen um die Gunst der Programmierer. Vom unscheinbaren Platzhirsch Wit.ai über Microsofts Bot Framework und die universelle Chatbot-Plattform API.ai mit Fähigkeiten zum maschinellen Lernen bis hin zur Python-Bibliothek ChatterBot – für fast alle Ansprüche findet sich etwas. Ein Krieg der Chatbot-Plattformen und KI-Assistenten – mit Apple Siri, Facebook Messenger/M, Google, Micro­soft Cortana und Schwergewicht Amazon Alexa – ist offenbar lediglich eine Frage der Zeit.
Die ersten kommerziellen Chatbot-Anwendungen waren vergleichsweise simpel gestrickt: Sie folgten einem vordefinierten Gesprächsablauf. Auch heute können die Benutzer eines Chatbots mit Hilfe der Anwendung Informationen vom automatisierten Kundendienst anfordern oder Bestellungen aufgeben, nicht jedoch einen philosophischen Diskurs führen. Weicht der Benutzer in seinen Anfragen vom Skript ab, dann zeigt sich ein Chatbot schon mal überfordert. Auch sind Chatbots weit davon entfernt, Emotionen oder ironische Bemerkungen zu erkennen.
Produktive Chatbots können zum Teil eigenständig weiterlernen, sofern sie mit einem passenden Interface ausgestattet sind. Meldet der Nutzer etwa „Mir fehlt die Wasserpumpenzange“, dann könnte ein Chatbot, der mit der Zange in Kombination mit einer Bestellung nichts anzufangen weiß, den Ausnahmezustand wie folgt handhaben:
Bitte Zutreffendes eingeben (A, B oder C):
A: Ihr Paket ist verloren gegangen oder wurde beschädigt beziehungsweise nicht vollständig zugestellt.
B: Sie haben die Rechnung nicht erhalten.
C: Sie möchten mit einem unserer Mitarbeiter chatten.
Aus der Antwort des Nutzers (A, B oder C) kann der Chatbot lernen, was es mit der Wasserpumpenzange im Kontext der Bestellung auf sich hat.
Doch damit hat sich die Sache noch lange nicht erledigt. Denn böswillige Nutzer könnten dem System leicht Unsinn antrainieren. Allein aus diesem Grund ist es zwingend notwendig, lernenden Chatbots auch Grenzen zu setzen und den Ablauf echter Chats mit Hilfe der Logs durch Menschen beaufsichtigen zu lassen. Im Endeffekt nutzen Chatbots idealerweise mehrere Methoden der Klassifizierung von Anfragen, und zwar:
  • Erkennung von Übereinstimmungen der Benutzereingabe mit Vorlagen
  • erweiterte Mustererkennung durch Algorithmen
  • heuristische Entscheidungsfindung, typischerweise mit Hilfe (lernender) künstlicher neuronaler Netze
Bei der Mustererkennung anhand von Vorlagen genügt bereits eine alternative Schreibweise oder Zusammenstellung der Wörter, um den Chatbot außer Gefecht zu setzen. Erweiterte Muster­erkennung durch Algorithmen kann hier Abhilfe schaffen. Ein solcher Algorithmus ist der NLP- und Textklassifizierungsklassiker Multinational Naive Bayes, ein überwachter Lern­algorithmus auf der Grundlage von Bayes Theorem mit der naiven Annahme der Unabhängigkeit zwischen jedem Paar von Merkmalen. Der Chatbot klassifiziert die Anfrage auf der Basis errechneter Wahrscheinlichkeiten, die sich aus starren Vorgaben des eingesetzten Modells ableiten lassen. Diese Methode erweitert das Verständnis des Bots, kann allerdings weder einen Volltreffer garantieren noch dazulernen.
Damit das eingesetzte Modell dynamisch lernen kann, müssen Chatbot-Entwickler tiefer in die Trickkiste greifen. Immer öfter kommen hierbei künstliche neuronale Netze zum Einsatz. Durch eine ausgiebige Trainingsphase zur Ermittlung der optimalen Gewichtung der künstlichen Synapsen lässt sich die Genauigkeit der Klassifizierung einer Anfrage durch den Chatbot erhöhen.
Als Sprachassistenten wie Amazon Alexa, Apple Siri oder Microsoft Cortana in den Alltag der Endanwender Einzug hielten, läuteten sie die Ära Künstlicher Intelligenz der Konsumentenklasse ein. Inzwischen haben sich einige von ihnen zu weitaus mehr als nur einer Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine gemausert: Sie sind Plattformen für die Entwicklung (künstlich) intelligenter Software.
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