Im IoT wird virtuelle zur physischen Gefahr

Stärkere Vernetzung bedeutet höhere Gefahr

von - 03.02.2020
com! professional: Potenzieren sich die Bedrohungen, wenn Maschinen noch stärker vernetzt werden? Stichwort Interet der Dinge.
Beloussov: Ja, die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Heute sprechen wir von Systemen, Applikationen und Daten. Das ändert sich mit dem Internet of Things nicht grundlegend. Dort gibt es nur noch mehr Systeme, Applikationen und Daten. Und natürlich noch mehr Verbindungen zwischen den Systemen, Applikationen und Daten. Daraus ergeben sich ganz automatisch verschiedenste und insbesondere zusätzliche Risiken.
Ein besonders kritischer Aspekt des Internet of Things ist die Tatsache, dass es sich bei den „Things“ oftmals nicht um reine Computer handelt. Ein Cybervorfall bedeutet dann nicht, dass der Anwender keine Nachrichten mehr ver­senden kann, sondern, dass eine Maschine nicht so funktioniert, wie sie es soll: Der Aufzug fährt in das falsche Stockwerk, die Klimaanlage heizt im Sommer den Raum auf oder das autonome Auto fährt an den falschen Zielort. Damit wird die heute noch virtuelle Bedrohung zu einer echten physischen Gefahr.
com! professional: Wie sehen Sie die Schweiz im Hinblick auf einen sicheren Standort für Geschäftsdaten?
Beloussov: Die Schweiz hat aus meiner Perspektive sowohl gute als auch nicht so gute Seiten. Positiv sind zum Beispiel die niedrige Kriminalitätsrate, die hervorragende Organisation und die allerorts vorherrschende Disziplin. Weiter verfügt die Schweiz über ein ausgereiftes Rechtssystem, mit dem die Einwohner angehalten werden, sich an die Gesetze zu halten. Wenn auch nicht direkt betroffen, werden sich Schweizer Unternehmen etwa der neuen europäischen Datenschutz-Grundverordnung unterstellen. Ein zusätzlicher Aspekt ist die gute finanzielle Situation der meisten Betriebe in der Schweiz. Sie können es sich leisten, Geld in Sicherheitslösungen zu investieren - und tun es auch. In keinem anderen Land auf der Welt verkaufen sich unsere Produkte so gut wie hier.
Die demokratische Staatsform der Schweiz lässt sich als negativer Punkt anführen - wenn es um Cyberbedrohungen geht. Denn in einer Demokratie stehen sich Protektionismus und das Recht auf Privatsphäre diametral gegenüber. So ist es in der Schweiz undenkbar, an jeder Straßenecke eine Überwachungskamera zu installieren. Oder den gesamten Netzwerkverkehr zu kontrollieren. Oder sich mit einer staatlichen Firewall gegen Angriffe aus dem Ausland zu schützen. Die Schweizer Bürger würden jede dieser Aktionen als Einschränkung ihrer Privatsphäre an­sehen und sich wehren. Weiter ist die Schweiz ein föderal organisierter Staat, was auch Nachteile mit sich bringt. Denn im Kampf gegen das organisierte Cyberverbrechen ist jede Gemeinde, jeder Kanton und jedes Bundesamt zunächst einmal auf sich allein gestellt. In einem zentralistischen Staat würde ein Departement die Abwehr von Angriffen übernehmen oder zumindest koordinieren.
com! professional: Dennoch haben Sie die globale Firmenzentrale in der Schweiz angesiedelt.
Beloussov: Ja genau. Zusätzlich zur Firmenzentrale in Singapur haben wir 2008 den Standort Schaffhausen eröffnet. Wir schätzen die Schweiz als stabiles und transparentes Land mit hohen demokratischen Werten. Die Herausforderung ist mittlerweile überall, genügend gute Leute zu finden. Die etwas mehr als 50 Angestellten machen den Standort zu einer kleinen Niederlassung, obwohl es eine Firmenzentrale ist. Global arbeiten rund 1500 Menschen für Acronis. Viele sind sehr spezialisiert, was die Kandidatensuche zusätzlich erschwert. Hinzu kommt die geringe Arbeitslosenquote in der Schweiz. Deshalb rekrutieren wir neue Mitarbeiter teilweise auch im grenznahen Ausland - wegen der Sprache hauptsächlich in Deutschland.
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