Betriebssysteme für das Internet der Dinge

IoT-Betriebssysteme

IoT-Fahrzeug: In diesem kleinen Wagen läuft Windows 10 für IoT. Die Steuerung erfolgt mit Hilfe einer mobilen App.
(Quelle: Hackster.io)
Systeme zur Fertigungs- und Prozessautomatisierung kommen mittlerweile in allen Branchen zum Einsatz: von der Energieerzeugung und -verteilung über die Gas- und Wasserversorgung bis hin zur Fabrikautomation, Verkehrsleittechnik und dem Gebäudemanagement. Was die Systeme in der Praxis tatsächlich leisten, steht und fällt mit dem eingesetzten IoT-Betriebssystem.
Canonical Ubuntu for IoT: Der Linux-Anbieter Canonical hat eine spezielle IoT-Edition der eigenen Distribution Ubuntu entwickelt – Ubuntu for the Internet of Things. Das System bietet erweiterte Sicherheitsfunktionen und lässt sich dank einer transaktionalen Update-Engine namens Snap auf dem neuesten Stand halten.
Mit Snap hat Canonical ein universelles Binärformat für Linux-Software-Pakete geschaffen, das sich mit jeder beliebigen Linux-Distribution nutzen lässt. Snaps sollen sichere Updates mit transaktionalen Rollbacks ermöglichen. So entstehe eine „kognitive Beziehung zwischen der Cloud und den Edge-Geräten im Netzwerk“, kommentiert Mac Devine, Vice President und CTO für Emerging Technology and Ad­vanced Innovation bei IBM. Roboter und Drohnen auf der Basis von Ubuntu lassen sich sogar aus der Ferne mit neuer Software aktualisieren. Zu den unterstützten Hardware-Plattformen des Ubuntu-Systems zählen unter anderem Qualcomm Dragonboard in 64-Bit-ARM-Architektur für Drohnen und Mobile-Intelligence-Robotik, Intel Joule, Parrot, Samsung Artik und Simbe Robotics.
Canonical ist inzwischen auch dem Industrial Internet Consortium beigetreten und baut sein umfassendes Netzwerk von Partnerschaften rund um das Internet of Things intensiv aus. Im vergangenen November hat Canonical zum Beispiel offizielle LTS-Images (Long Term Support) von Ubuntu für die Open Telekom Cloud, die OpenStack-Plattform von T-Systems, bereitgestellt.
Contiki: Das quelloffene IoT-Betriebssystem Contiki überzeugt mit einer hohen Stabilität, effizientem Speichermanagement und fortschrittlicher Unterstützung drahtloser Vernetzung. Den leistungsstarken IPv6-Stack hat der Netzwerkspezialist Cisco beigesteuert.
Zu den Stärken von Contiki zählen außerdem ausgereifte Entwicklungswerkzeuge, darunter Cooja, ein leistungsstarker Netzwerksimulator zum Debuggen von Sensornetzen, den sogenannten WSNs (Wireless Sensor Network). Contiki eignet sich unter anderem für moderne Thermostate, Straßenlaternen und Parksensoren. Zu den bekanntesten Nutzern zählt Tado, ein Hersteller von smarten Heizungssteuerungen.
Google Brillo OS: Mit dieser leichtgewichtigen Distribution von Android möchte Google das intelligente Zuhause erobern. IoT-Geräte anderer Anbieter müssen zur Gewährleistung der Interoperabilität mit Brillo-Endpunkten Googles Weave-Protokoll beherrschen und ein Zertifizierungsprogramm von Google erfolgreich absolvieren.
Kaspersky OS: Anfang des Jahres ist der Sicherheitsspezialist Kaspersky Lab mit einem eigenen IoT-Betriebssystem auf Linux-Basis auf den IoT-Zug aufgesprungen. Das Betriebssystem basiert auf der FLASK-Architektur (Flux Advanced Security Kernel), die sich zuvor bereits in SELinux und SEBSD bewährt hatte. Es nutzt eine globale „Alles verweigern“-Sicherheitsrichtlinie (Default Deny), die jegliche Aktivitäten standardmäßig blockiert. Anwendungen, die nicht explizit freigeschaltet wurden, können nicht ausgeführt werden. Alle Treiber sind vom Kernel isoliert. Ein unabhängiger, sicherer Hypervisor (KSH) und ein Kommunikationssystem für sichere Interaktionen zwischen verschiedenen Komponenten des Betriebssystems (KSS) runden das Angebot ab.
RIOT OS: Dieses quelloffene Projekt der Internetgemeinde basiert auf offenen Standards. Das Betriebssystem ist kostenfrei und zeichnet sich durch einen geringen Stromverbrauch und sehr moderate Ressourcen-Anforderungen aus. Es verfügt über einen Mikro-Kernel, beherrscht Datenverschlüsselung, bietet mehrere Netzwerk-Stacks und unterstützt eine sehr große Vielfalt von Hardware.
VxWorks RTOS: VxWorks von Wind River Systems, einer Tochter von Intel, zählt zu den führenden Echtzeit-Betriebssystemen für kritische Infrastrukturen. Das System rühmt sich zahlreicher Zertifizierungen in Branchen wie der Luftfahrt und der Medizin. Zu den Anwendern zählen unter anderem Bosch Motorsport, BAE Systems und Boeing. Bosch Motorsport nutzt VxWorks zum Beispiel als Betriebssystem für die Motorsteuerung in Rennwagen.
Windows 10 für IoT: Mit Windows 10 IoT Core adressiert Microsoft nicht nur etablierte Unternehmen mit Bedarf an IoT-Geräten, sondern auch Start-ups.
Zu den Stärken von Windows 10 für IoT zählen Microsofts leistungsstarke Entwicklerwerkzeuge der Visual-Studio-Familie und die darauf eingespielten IoT-Dienste von Microsoft Azure. Für Unternehmen, die bereits für die Universal Windows Platform entwickeln oder Azure nutzen, ist es nur ein Katzensprung. Mit einem kürzlich vorgestellten Quelltext-Editor namens Visual Studio Code holt Microsoft neuerdings auch Nutzer von Mac OS X und Linux mit ins Boot der IoT-Entwicklung.
Ein IoT-Betriebssystem bildet zwar den grundlegenden Baustein für die Umsetzung von IoT-Projekten, aber es ist längst nicht das einzige Element. Eine Anbindung an analytische Systeme und Management-Werkzeuge gehören ebenfalls dazu. Eine solche IoT-Plattform speziell für Anwendungen der Industrie 4.0 hat Siemens unter dem Namen Mind­Sphere auf der Basis von SAP HANA entwickelt. Jedes Unternehmen könne seinen Maschinenpark an MindSphere anbinden, so Siemens-Mann Florian Beil. Das offene Öko­system sei die treibende Kraft hinter dem Erfolg von Mind­Sphere. Ein Unternehmen könne beispielsweise die Sensordaten eines Triebwerks erfassen. So lasse sich vorhersagen, „wann das Triebwerk zusammenbricht und welches Bauteil den Ausfall verursacht“, erklärt Beil. Wer es vorab wisse, könne solche Betriebsstörungen verhindern und Geld sparen, fährt er fort: „Im Bergbau ist hierbei von einer halben bis zu einer Million Euro pro Stunde die Rede.“
Noch ist der Markt für IoT-Betriebssysteme fragmentiert und unübersichtlich. Die Sicherstellung einer reibungslosen Interoperabilität zwischen smarten Objekten verschiedener Hersteller unter Gewährleistung höchster Sicherheit gestaltet sich in Ermangelung fester Standards unnötig kompliziert.
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