Business-Kommunikation
Die E-Mail wird wieder mal totgesagt
von
Jürgen
Mauerer - 27.08.2018
Foto: one photo / Shutterstock.com
Chat- und Collaboration-Plattformen machen der E-Mail im Business-Alltag Konkurrenz. Aber als kompletter Mail-Ersatz taugen die Lösungen noch lange nicht.
Totgesagte leben länger – dieser Spruch scheint für die E-Mail geschaffen worden zu sein. Seit mehreren Jahren wird immer mal wieder ihr Untergang beschworen. Ein aktuelles Beispiel ist der „Tech Trend 2018“ des Investitions- und Beratungsunternehmens GP Bullhound, der 2018 als das Jahr sieht, das das Ende der E-Mail einläutet. Dafür sorgen der Studie zufolge Chat- und Collaboration-Dienste wie Slack, Workplace by Facebook oder Microsoft Teams.
Auch wenn bisher alle Meldungen vom Tod der E-Mail maßlos übertrieben gewesen sind, so heißt dies ja nicht, dass das für alle Zukunft so sein muss. Könnte also jetzt vielleicht mehr dran sein?
Nicht, wenn man sich die Zahlen anschaut. Täglich werden derzeit weltweit über 280 Milliarden Mails verschickt. Das geht aus einer aktuellen Studie der Radicati Group hervor. Und die Analysten rechnen beim E-Mail-Aufkommen in den nächsten Jahren sogar mit einem jährlichen Anstieg von mindestens 4,3 Prozent. Behalten sie recht, würden 2022 weltweit mehr als 333 Milliarden E-Mails pro Tag versendet.
Deutschland ist da keine Ausnahme. Auch hierzulande erreichte das E-Mail-Volumen im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand von 771 Milliarden E-Mails. Von dieser Warte aus betrachtet, macht der Todeskandidat E-Mail also noch einen quicklebendigen Eindruck.
Kanal Nummer eins
„Die E-Mail wird in jeder Firma eingesetzt, sie ist digitaler Kommunikationskanal Nummer eins“, betont denn auch Nils Britze, Referent Digitale Geschäftsprozesse beim Digitalverband Bitkom. „Die E-Mail profitiert vom Netzwerkeffekt. Je mehr Leute eine Plattform nutzen, umso größer wird ihre Bedeutung und umso mehr Nutzer schließen sich an. Der Wandel bei der Nutzung der E-Mail wird daher eher schrittweise als disruptiv erfolgen.“
Auffällig ist aber: Dem „Bitkom Digital Office Index 2018“ zufolge korrespondieren zwar alle Unternehmen häufig über E-Mail, doch holen andere digitale Kommunikationskanäle auf. Beliebter werden vor allem Online-Meetings und Videokonferenzen, die fast jedes zweite Unternehmen häufig einsetzt (2018: 47 Prozent, 2016: 40 Prozent). In mehr als jeder dritten Firma (38 Prozent) wird inzwischen häufig über ein Mitarbeiter- oder Kundenportal kommuniziert. 2016 tauschte sich erst jedes vierte Unternehmen (28 Prozent) häufig darüber aus.
E-Mail: „Kakerlake des Internets“
Auch Johann Butting, Head of EMEA bei Slack, glaubt nicht, dass die E-Mail aus unserem Arbeitsleben verschwindet: „Pro Monat landen etwa 600 Mails im Posteingang eines jeden Angestellten, und wir verbringen täglich rund eineinhalb Stunden damit, diese zu bearbeiten. Das ist in unseren Augen ein zu hoher Zeitaufwand. Ich glaube aber, der Sättigungspunkt der E-Mail-Nutzung ist überschritten. Cal Henderson, einer der Slack-Co-Gründer, bezeichnet sie gern als ,Kakerlake des Internets‘ – man wird sie nie ganz ausrotten können. Aber: Ihr Einsatzgebiet wird kleiner.“
Butting ist überzeugt, dass sich die Kommunikation und die Zusammenarbeit im Team in Collaboration-Hubs wie Slack deutlich effektiver und effizienter organisieren lässt als mit der E-Mail. Slack geht davon aus, dass bis zum Jahr 2025 die komplette Team-Zusammenarbeit in Collaboration-Hubs stattfinden wird. „Ich persönlich habe die Zahl meiner Mails mit Slack bereits um etwa 90 Prozent reduziert“, erklärt Butting.
Für Anna-Lena Schwalm, Analystin bei Crisp Research, gehört die E-Mail ebenfalls noch „zu den elementaren Anwendungen eines digitalen Arbeitsplatzes. Sie hat sich als businesstauglicher Standard etabliert und hat ihre Aufgaben und Use-Cases, etwa beim Versand von Anhängen mit verschlüsselten Inhalten. Um die E-Mail abzulösen, wäre ein Kulturwandel notwendig. Der erste Impuls ist noch immer, eine E-Mail zu schreiben.“ Bei der Kommunikation mit Kunden oder Lieferanten werden E-Mails laut Schwalm nicht von Chat-Plattformen verdrängt werden, weil die E-Mail viele vorteilhafte Funktionen bietet: Sie ist plattformneutral, es gibt keine Kompatibilitätsprobleme, sie lässt sich zeitversetzt bearbeiten und erfordert keine unmittelbare Antwort.
Schwalm rechnet allerdings damit, dass die Nutzung der E-Mail insbesondere bei der internen Kommunikation weiter zurückgehen wird. Denn: „Die E-Mail ist kein Collaboration-Tool.“