Tools zur Individualisierung von Online-Shops

Im Gespräch mit Roland Peter Schäfer von Saphiron Digital Strategy Consultans

von - 29.01.2019
Roland Peter Schäfer
Roland Peter Schäfer: Mitgründer und Partner bei Saphiron Digital Strategy Consultants
(Quelle: saphiron )
Personalisierung ist ein viel gepriesenes Mittel für die Kundenbindung. Roland Peter Schäfer, Mitgründer und Partner bei Saphiron Digital Strategy Consultants, berät Unternehmen dabei und weiß, wo Fallstricke lauern. Im Interview erklärt er, warum der Online-Handel ein Vorreiter bei der Personalisierung ist.
com! professional: Sehr viele Marketing-Technologie-Anbieter haben sich „Personalisierung“ auf die Fahnen geschrieben. Oft ist aber gar nicht so klar, was mit diesem Begriff genau bezeichnet wird. Wie würden Sie die Personalisierung im E-Commerce beschreiben?
Roland Peter Schäfer: Personalisierung heißt, zum richtigen Zeitpunkt das richtige Produkt anbieten. Damit das gelingt, sind verschiedene Maßnahmen und Tools nötig. Händler können beispielsweise analysieren, in welchen Lebensphasen sich ihre Kunden gerade befinden und dementsprechende Angebote schneidern. Oder sie können versuchen, Kunden, die Warenkörbe stehen gelassen haben, zu reaktivieren. Das Hauptziel ist Kunden­bindung.
com! professional: Steht Personalisierung auf der Agenda von Unternehmen oder ist das eher Dienstleister-getrieben?
Schäfer: Im Branchenvergleich wird deutlich, dass Online-Händler die Speerspitze bilden, wenn es um Personalisierung geht. Das liegt zum einen am Wettbewerbsdruck, der im Handel herrscht. Wer sein Geschäftsmodell nicht digitalisiert hat, hat heute Nachteile gegenüber solchen Unternehmen, die systematisch digitale Tools nutzen. Sie haben zum Beispiel höhere Kundengewinnungs- und Kundenbindungskosten.
Zum anderen haben E-Mail-Versender schon vor einigen Jahren gemeinsam mit Online-Shops begonnen, Personalisierungsmaßnahmen durchzuführen. Vor allem die großen Händler haben das Geld und die Teams, solche Lösungen aufzusetzen. Kleinere Unternehmen haben vielleicht nicht das Geld und die Ressourcen, um groß in Maßnahmen für die Personalisierung zu investieren.
com! professional: Gibt es denn so was wie „Personalisierung light“ für kleinere Unternehmen?
Schäfer: Anstelle der großen Lösungen kann die „Intelligenz“ auch in die jeweiligen Kanäle verschoben werden. Dabei werden CRM-Logiken und die Automatisierung beispielsweise direkt im E-Mail-Tool abgebildet und können so unabhängig von der übrigen Systemlandschaft realisiert werden. Das geht meistens schneller und ist kostengünstiger. Der Nachteil ist, dass wieder Insellösungen entstehen.
com! professional: Ist Personalisierung außer im Handel auch in anderen Branchen ein Thema?
Schäfer: Personalisierung steht bei vielen Unternehmen in unterschiedlichen Implementierungsstufen auf der Agenda. Mit Implementierungsstufen meine ich ganz einfache Mittel bis hin zu komplexen Anwendungen.
com! professional: Was verstehen Sie unter einer komplexen Anwendung?
Schäfer: Zum Beispiel die Auswertung des Klickverhaltens auf der Webseite, um zu erkennen, an welchen Warenkategorien das Interesse besonders hoch ist. Eine Recommendation Engine wertet das Interesse aus und steuert anschließend entsprechende Inhalte in den E-Mails an die Kunden des Online-Shops aus. Da­zu müssen die Recommendation Engine und der Shop mit dem E-Mail-System verknüpft sein. Die höchste Stufe ist, wenn das Tool Vorhersagen liefern kann. Was könnte ein Kunde künftig kaufen, ausgehend von dem, was der Händler über die Lebensphase und vielleicht über das Alter seines Kunden weiß.
com! professional: Welche Tools sind für eine Personalisierung notwendig?
Schäfer: Eine Software für Customer Relationship Management, möglicherweise auch ein Loyalty-Programm und in der Regel auch ein E-Mail-Versand-Tool. Denn die E-Mail ist oft noch die „letzte Meile zum Kunden“. Inzwischen werden auch mobile Applikationen, Instant Messaging oder Browser Push Messaging für die Kundenbindung verwendet.
com! professional: Und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Unternehmen ihre Kunden persönlicher und individuell ansprechen können?
Schäfer: Firmen brauchen neben der technischen eine personelle Infrastruktur. Sie benötigen Kunden- und Verhaltensdaten, beispielsweise aus dem CRM-System. Und man braucht eine Strategie: Welche Daten sammle ich wozu? Ist das Einverständnis vorhanden?
com! professional: Was sind denn generell die Herausforderungen bei der Personalisierung?
Schäfer: Unternehmen müssen einen Spagat machen zwischen ihren geschäftlichen Interessen, den Möglichkeiten der Technik und den juristischen Rahmenbedingungen in Bezug auf den Datenschutz.
Welche Daten dürfen dafür eingesetzt werden? Liegt das Einverständnis des Nutzers vor? Die Datenschutzvorgaben nehmen viele Unternehmen als Einschränkung wahr.
Die Kommunikation darüber, welche Daten wozu verwendet werden, kann aber auch eine Chance sein, wenn Unternehmen ihre Kunden aktiv darüber informieren, warum sie die Daten nutzen. Loyalty-Systeme schaffen das schon ganz gut. Sie greifen auf viele Daten zu und die Kunden akzeptieren das.
com! professional: Der Anbietermarkt für digitale Marketing-Automation-Tools ist groß und entsprechend unübersichtlich. Wie lässt sich die Anbieterlandschaft einteilen?
Schäfer: Grob kann man sie in drei Kategorien einteilen: in Selfservice-Tools mit Kosten von einigen Hundert Euro pro Monat, in spezialisierte E-Mail-Service-Provider mit jährlichen Kosten im niedrigen fünfstelligen Euro-Bereich und in die großen Marketing-Suiten. Letztere bieten viele Funktionalitäten unter einem Dach, sind allerdings in erster Linie für Enterprise-Kunden geeignet. Denn wir reden da üblicherweise von Projektkosten ab einer halben Million Euro.
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