Eine DSGVO-Amnestie wird es nicht geben

Kundenkommunikation per Facebook und Twitter

von - 08.07.2019
com! professional: Einige Firmen nutzen für ihren Chatbot den Facebook Messenger, zum Beispiel die Lufthansa. Viele Kunden sehen ihre Daten aber nur ungern bei Facebook …
Stepanova: Dies ist stets eine unternehmenspolitische Entscheidung, die gut überlegt sein sollte. Man muss natürlich auch bedenken, dass viele Kunden dennoch Facebook nutzen, auch wenn sie ihre Daten nur ungern dort sehen.
Ich denke, es ist schon ein Erfolg der Datenschutz-Grundverordnung, dass Kunden überhaupt sensibel für das Thema sind. Der Einsatz in datenschutzrechtlicher Hinsicht stellt kein Problem dar, sofern der Betroffene ordnungsgemäß über den Einsatz des Chatbots via Facebook informiert wird, so wie es die Lufthansa getan hat.
com! professional: Bleiben wir noch kurz bei der Kundenkommunikation per Facebook oder Twitter. Der Einsatz von Social Media ist für Unternehmen doch immer auch eine Art Gratwanderung zwischen freier Meinungsäußerung der Mitarbeiter und der Angst vor einem Shitstorm …
Stepanova: Der Einsatz von Social Media bietet eine gute Gelegenheit, sich bei einem breiten Publikum vorzustellen und mit gezielten Aktionen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, die bestenfalls in Kundenbeziehungen münden. Die Kehrseite eines Auftritts in sozialen Netzwerken ist natürlich, dass man einem lawinenartigen Auftreten negativer Kritik ausgesetzt werden kann, weil die Plattform es ermöglicht, viel einfacher mit dem Unternehmen zu interagieren.
Was die freie Meinungsäußerung der Mitarbeiter anbetrifft, so findet diese ihre Grenzen in der Loyalitätspflicht zum Arbeitgeber. Sie kann durch Schmähkritik oder die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht im Internet zu einer arbeitsrechtlichen Sanktionierung führen, beispielsweise Kündigung oder Abmahnung. Hier genügt es schon, wenn sich der Mitarbeiter durch einen Klick des Facebook-„Gefällt mir“-Buttons gegenüber dem Unternehmen abfällig äußert oder dessen Reputation erheblich schädigt. Das kann zum Beispiel auch dadurch erfolgen, dass auf der eigenen Pinnwand ein den Arbeitgeber beleidigender Beitrag gepostet wird, wenn er öffentlich oder zumindest für eine Vielzahl von Facebook-Nutzern, darunter Arbeitskollegen, sichtbar ist. Insofern ist stets Vorsicht geboten, im Zweifel ist es immer besser, die Privatsphäre-Einstellungen anzupassen, damit der Arbeitgeber entsprechende Posts gar nicht erst sieht.
com! professional: Welche weiteren rechtlichen Fallstricke birgt der Einsatz von Social Media?
Stepanova: Dies fängt beim Datenschutz an und geht über das Wettbewerbsrecht bis hin zum allgemeinen Zivilrecht. Aufgrund der hohen Regelungsdichte müssen Unternehmen zusehen, dass sie die Bestimmungen des Telemediengesetzes einhalten und beispielsweise auch auf ihrer Facebook-Fanpage ein Impressum einpflegen. In datenschutzrechtlicher Hinsicht ist es etwa erforderlich, Verträge über die gemeinschaftliche Verantwortlichkeit abzuschließen, und darauf zu achten, dass man Chat-Verläufe nach Zweckerreichung und dem Ablauf etwaiger Aufbewahrungsfristen löscht. Zu den Face­book-Fanpages gibt es auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
com! professional: Wie verändern neue Technologien wie Chatbots oder Künstliche Intelligenz eigentlich Ihre Arbeit als Rechtsanwältin, Stichwort Legal Tech?
Stepanova: Ich bin mir sicher, dass die neuen Technologien den anwaltlichen Tätigkeitsbereich stark verändern werden. Wir sehen jetzt schon, wie viele Lösungen für Verbraucher entwickelt wurden, um den Zugang zum Recht zu erleichtern. Als Beispiel wären hier die automatisierten Flugentschädigungsplattformen zu nennen.
Daneben entstehen Technologien, die Rechtsanwälten den Arbeitsalltag dadurch erleichtern, dass sie diejenigen Zwischenschritte übernehmen, die nicht notwendigerweise eine anwaltliche Tätigkeit erfordern. Ich sehe hier ganz klar mehr Chancen als Risiken, weil es beispielsweise nicht vonnöten ist, jeden Standardvertrag eigenhändig zu schreiben und dadurch „das Rad neu zu erfinden“. Was früher durch Zuhilfenahme von Musterhandbüchern praktiziert wurde, wird jetzt noch effektiver. Die Software denkt mit und pflegt eigenständig Namen oder Adressen ein. Um ehrlich zu sein, macht es auch viel mehr Spaß, sich spannenden Rechtsfragen zu widmen, als die mühsame, wenig fordernde, aber erforderliche Arbeit zu verrichten, die gute Legal-Tech-Anwendungen ohnehin schneller und besser erledigen. Legal Tech ist insofern kein Ersatz, sondern Hilfsmittel für Rechtsanwälte.
com! professional: Wie sieht es in der Praxis aus – setzen Sie bei Ihnen in der Kanzlei schon auf neue Technologien wie KI?
Stepanova: Wir nutzen schon seit mehreren Jahren Legal Tech, um unsere Arbeit effizienter zu machen. Dies fängt bei den einfachen Tools wie der automatisierten Erstellung von Standardverträgen an und geht über automatisierte Auswertungen von Transaktionsdaten von Kryptowährungswallets und -börsen zwecks Erstellung von Steuererklärungen für Kryptohändler bis zum Einsatz eines Algorithmus, der automatisiert Markenverletzungen im Internet ausfindig macht.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass es Tätigkeiten gibt, die KI beziehungsweise Legal Tech besser und schneller durchführen können als der Mensch. Zum Beispiel kann der erwähnte Algorithmus in Sekundenschnelle aufgrund vorgegebener Matrizen Markenrechtverletzungen identifizieren und eine punktgenaue Analyse aufbereiten. Ein Mensch würde hierfür vielleicht mehrere Tage benötigen.
com! professional: Sie halten im November auf der TechWeek in Frankfurt den Vortrag „3 reasons why Blockchain and GDPR are a perfect match“. Datenschutz und Blockchain schließen sich nicht aus?
Stepanova: Ich stelle Lösungen und Ansatzpunkte vor, die je nach Einsatzbereich in Betracht kommen könnten. Da­bei geht es um die verschiedenen Blockchain-Arten und um die jeweils dafür passenden Lösungen. Es geht mir darum, aufzuzeigen, dass es Möglichkeiten gibt und Unternehmen sich nicht durch den weit­verbreiteten Mythos, dass Datenschutz in der Blockchain nicht funktioniert, bremsen lassen sollten.
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