Plattformökonomie

Das Verständnis für Plattformen fehlt

von - 27.03.2019
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Plattformökonomie ist nur ein Thema, bei dem viele weghören. Obwohl der Einsatz von digitalen Lösungen zur Schaffung effizienterer Produkte von den meisten Firmen angepeilt wird.
Dieser Beitrag wurde von Christopher Möhle verfasst, CEO der Digitalagentur Turbine Kreuzberg.
Vor einigen Wochen war ich auf ­einem Event mit Vertretern etablierter Konzerne und Mittelständler, die sich mit der Transformation ihrer Geschäftsmodelle befassen wollten – darunter viele von den erfolgreichsten Marken in ihrer jeweiligen Branche. Überall war der Wille groß, Dinge neu zu denken und Veränderungen anzugehen. Die Diskussionen aber blieben oft ergebnisarm.
Was den Innovationsgeist schmälerte, war eine falsche Erwartungshaltung – nämlich, dass irgendwer im Raum sicher gleich erklären würde, wie es nun weitergehe. Diese Haltung gipfelte in der Frage an einen Google-Vertreter, wann Unternehmen denn mit passenden B2B-­Lösungen rechnen dürften. Seine Antwort, leicht verdutzt: Die Lösungen des Internetkonzerns seien nie auf B2C beschränkt gewesen, B2B-Anbieter würden sie nur nicht nutzen.

B2B-Kreisen fehlt Verständnis für digitale Plattformen

Unternehmen dürfen aber nicht abwarten, bis ein Google ihnen die passenden Services präsentiert, mit deren Hilfe sie noch ein Stückchen effizienter werden können. Gerade in eta­blierten B2B-Kreisen fehlt oft noch das Verständnis dafür, wie Plattform-Vorreiter wie Mytaxi es schaffen konnten, eine solche Marktmacht aufzubauen.
Dabei liegt der Grund auf der Hand: Digital denkenden Unternehmen gelingt es, Plattformen zu schaffen, die im Wettbewerb befindliche Akteure dazu bringen, ihre Daten miteinander zu teilen. Das tun sie aus dem Druck heraus, dass immer mehr ihrer Kunden Angebote wie Mytaxi nutzen und über klassische Vertriebswege kaum noch erreichbar sind. Plötzlich finden sich bisher konkurrie­rende Taxi-Unternehmen auf einer Plattform zusammen und sind bereit, Standorte und Bewegungsdaten ihrer Fahrzeuge preis- und die Kontrolle über ihre Vermarktung zumindest teilweise aus der Hand zu geben.
Der Personentransport ist nicht die einzige Branche, in der die Neuen den Etablierten den Unterschied zwischen Optimieren und Innovieren zeigen. Statt weiter gebetsmühlenartig Produkte und Prozesse zu optimieren, wäre es angebracht, echte Innovationsprozesse anzustoßen. Lebensmittelkonzerne können sich nicht länger darauf beschränken, Fertiglasagne geschmacklich weiterzuentwickeln – sie müssen vielmehr überlegen, wie sie künftig die perfekte Pasta in 15 Minuten zum Kunden bekommen. Genauso können Kurier- und Paketdienste nicht länger weghören, wenn es um die koordinierte Auslieferung von Paketen in Großstädten geht – denn natürlich werden entweder die Anwohner oder aber die Stadtverwaltungen sie in naher Zukunft zu einer pragmatischeren He­rangehensweise verdonnern als der, jede Haustür täglich dreimal anzusteuern und so zum Verkehrsinfarkt beizutragen.
Wenn sie es nicht tun, tut es jemand ­anderes. Dass die Veränderung im Gange ist, ist nämlich gewiss, wer aber von ihr profitiert, noch nicht.
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