So gelingt die Digitalisierung des stationären Handels

Unabhängigkeit von Amazon als erklärtes Ziel

von - 24.09.2018
com! professional: Über welche Verkaufskanäle machen Sie den meisten Umsatz?
Benner: Nicht über Amazon, wenn Sie das meinen. Wir versuchen bewusst, die Verkaufsaktivitäten breit zu streuen. Große Anteile laufen über unseren Online-Shop sowie Plattformen wie Klingel, Mirapodo, Limango oder Otto. Langfristig versuchen wir, komplett von Amazon unabhängig zu sein und die eigene Plattform zu stärken.
com! professional: Warum?
Benner: Einerseits besteht auf Amazon eine sehr starke Konkurrenzsituation und damit natürlich ein harter Preiskampf. Es lohnt sich nicht mehr, auf Amazon aktiv zu werden, das Thema ist für Schuhhändler durch. Außerdem wollen wir möglichst die Kundenhoheit haben, also die Informationen über Kunden selbst sammeln können. Deshalb ist die eigene Plattform für uns spannend. Günstiger ist der Verkauf über die eigene Plattform gegenüber dem Marktplatzvertrieb aber nicht, das muss man klar sagen. Man muss viel Geld für Google und AdWords und Retargeting sowie personalisierte Werbung ausgeben, um die Kunden auf die Plattform zu bringen. Das wiegt die Marktplatzkosten bei Weitem wieder auf.
com! professional: Wie sieht Ihr Marketing-Mix denn aus?
Schuhe24.de: Nirgends im Shop ist erkennbar, dass es sich um eine Plattform handelt, auf der stationäre Händler verkaufen.
Benner:
Kunden, die schon mal auf unserer Plattform waren, sprechen wir mit gezieltem Retargeting an. Neukunden, die uns noch nicht kennen, sprechen wir eher mit sehr gezielter AdWords- und Banner-Werbung auf bestimmte Schuhmarken an. Diese Banner-Werbung wird nicht nur bei Google ausgespielt, sondern auch bei derzeit 800 Partnerseiten. Auch Bestellung per Telefon bietet fast kein Onliner an, bei uns ist dies immer möglich, gerade auch für ältere Kunden.
com! professional: Konkurrenten wie Zalando setzen auf TV- oder Out-of-Home-Werbung. Kommt das für Sie infrage?
Benner: Solche Werbeformen finden wir durchaus spannend, aber das Thema Streuverluste muss man kritisch sehen. Wenn man mit einer teuren TV-Kampagne nur 1 Prozent der Kunden dazu bekommt, auf die Seite zu klicken, hat niemand etwas davon. So etwas können Sie machen, wenn es Ihre Strategie ist, um jeden Preis schnell bekannt zu werden. Wir aber setzen auf profitables Wachstum, da müssen wir schon genauer hinschauen, welche Ausgaben sich unterm Strich lohnen und welche nicht. Wir werden aber in naher Zukunft auf ein prominentes Testimonial setzen.
com! professional: Apropos Werbung – im Gegensatz zur Plattform Schuhe.de, die auch die Sortimente stationärer Händler digitalisiert, präsentieren Sie Ihre Händler auf Ihrer Plattform nicht. Wer nicht weiß, dass hinter Schuhe24.de stationäre Händler stecken, sieht im Shop dazu kaum einen Hinweis. Warum?
Benner: Das ist eine Philosophiefrage. Ich finde es legitim und sogar gut, die Händler zu präsentieren, so wie das die Kollegen von Schuhe.de machen. Wir haben uns aus zwei Gründen dagegen entschieden. Erstens wollen wir nicht, dass der Online-Kunde dem stationären Händler Arbeit macht. Online-Kunden haben viele Fragen: zum Versand, zur Bezahlung oder zum Service. Wenn die Händler auf unserer Plattform in Erscheinung treten, werden sie sich bald mit diesen Fragen herumschlagen müssen – und dann fängt das Thema Online-Vertrieb an, unrentabel zu werden. Der zweite Punkt: Online gibt es oft andere Preise als stationär – und wenn der Kunde auf so eine Preisdiskrepanz stößt, macht ihn das wütend. Da man bei uns die Preise nicht zu einem bestimmten Händler zurückverfolgen kann, sind wir komplett frei in der Preisgestaltung, wir müssen auf den stationären Handel keine Rücksicht nehmen. Und das ist bei unserem Vertriebsmodell sehr wichtig – wir müssen einfach die Freiheit haben, das eine oder andere Modell auch mal unter Preisempfehlung anzubieten, um mit dem Marktniveau mitzuhalten.
com! professional: Wie sehen Ihre weiteren Pläne für dieses Jahr aus?
Benner: Wir wollen die Internationalisierung von Schuhe24 vorantreiben. Zusätzlich wollen wir in andere Branchen vordringen. Vor einem halben Jahr haben wir das Portal Sportmarken24 aufgebaut, das analog zu Schuhe24 für stationäre Sporthändler ausgerichtet ist. Die Plattform läuft sehr gut an, aktuell verkaufen schon rund 100 stationäre Filialen ihre Waren darüber. Zudem wollen wir noch ein ähnliches Portal für Mode aufbauen.
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