Schlau machen für den digitalen Wandel

Im Gespräch mit Lynn-Kristin Thorenz von IDC

von - 01.03.2019
Lynn-Kristin Thorenz
Lynn-Kristin Thorenz: Associate Vice President Research & Consulting bei IDC
(Quelle: IDC )
Lynn-Kristin Thorenz ist Associate Vice President Research & Consulting beim Beratungsunternehmen IDC. Im Interview mit com! professional erklärt sie, wie sich die Digitalisierung auf die Rollen der IT-Mitarbeiter auswirkt und warum Firmen eine effektive Strategie zur Weiterbildung benötigen.
com! professional: Frau Thorenz, die Digitalisierung legt ein hohes Tempo vor. Sie verkürzt die Innovationszyklen und Wissen veraltet schnell.
Lynn-Kristin Thorenz: Ja. Aus IT-Sicht erhöht die Digitalisierung zudem den Automatisierungsgrad sehr stark. Das betrifft auch die IT-Abteilung selbst, und zwar sowohl in puncto Technik als auch in Bezug auf die Organisation. Da durch die Digitalisierung Schnittstellen zwischen Systemen entstehen, fallen Silos weg. Das wirkt sich auf die Rollen der Mitarbeiter aus. Der klassische Administrator wird weniger wichtig beziehungsweise seine Rolle fällt irgendwann weg, da die Verwaltung der Infrastruktur künftig weitgehend automatisiert abläuft. Die Frage lautet: Wie bringe ich die Leute zu den Rollen, die ich in Zukunft wirklich brauche? Wie schaffen wir den Übergang von den alten Rollen und Silos zur neuen automatisierten, integrierten Welt?
com! professional: Welche Kompetenzen benötigen die Mit­arbeiter in dieser neuen automatisierten, integrierten Welt?
Thorenz: Die Digitalisierung wird nicht alle Arbeitsplätze vernichten. Firmen werden auch künftig Mitarbeiter brauchen. Neue Jobs entstehen vor allem in der Software-Entwicklung, für Data Scientists und IT-Architekten. Viele Firmen setzen mittlerweile beispielsweise für Standardprozesse in Fachabteilungen und im Finance-Bereich auf Robotics Process Automation. Dafür sind Entwickler und Leute mit Prozess-Know-how aus den Fachabteilungen gefragt, die im Team zusammenarbeiten.
com! professional: Low-Code-Plattformen und RPA als Mittel gegen den Fachkräftemangel?
Thorenz: Wegen des Fachkräftemangels müssen sich die Firmen tatsächlich mit Robotern aller Art beschäftigen. Der Fachkräftemangel im IT-Umfeld ist bereits heute am deutschen Markt deutlich spürbar.
Bis 2022 werden die verfügbaren Talente und Mitarbeiter für moderne Technologien nicht einmal 30 Prozent der weltweiten Nachfrage decken können. Firmen benötigen eine effektive Strategie, Mitarbeiter mit entsprechenden Fähigkeiten auszubilden und an sich zu binden. Weiterbildung entscheidet über künftiges Wachstum.
com! professional: Wie kann diese effektive Strategie zur Weiterbildung aussehen?
Thorenz: Ich sehe die Lösung in einem Mix aus internem Aufbau von Kompetenzen und dem Know-how-Transfer mit Hilfe von externen Beratern, Dienstleistungspartnern und Anbietern.
Auch die Zusammenarbeit mit Start-ups ist denkbar, um aktuelles Wissen ins Unternehmen zu holen. Entscheidend ist der Aufbau eines Netzwerks. Eine Firma allein kann beim Know-how mit der rasanten Entwicklung nicht mithalten. In der Community wird ein Problem schneller gelöst.
com! professional: Welche Rolle spielen die Führungskräfte? Auch sie müssen fit für die Digitalisierung sein.
Thorenz: Unsere Gespräche mit CIOs und CEOs zeigen: Wie Unternehmen mit dem Wandel klarkommen, hängt von den höchsten Führungskräften ab. Sie brauchen eine Vision oder eine Idee, wohin sie sich digital mit ihrem Unternehmen entwickeln wollen. Einige Firmen gehen mit einer umfassenden Digitalstrategie voran, andere realisieren lediglich Einzelprojekte ohne Zusammenhang und dahinterstehende Idee. Manche müssen handeln, weil es ihrer Branche sehr schlecht geht, etwa in der Stahlindustrie.
Und dann sind da natürlich die Firmen mit vollen Auftrags­büchern, denen es wirtschaftlich so gut geht, dass sie keine Zeit haben und auch keine Notwendigkeit sehen, sich intensiv mit der Digitalisierung zu beschäftigen.
com! professional: Sind hier nicht auch die Mitarbeiter selbst gefordert?
Thorenz: Natürlich. Das A und O ist die Mentalität der Mitarbeiter. Sie müssen offen, neugierig und lernbereit sein; das kann anstrengend sein und überfordern. Es gibt Bremser und großes Beharrungsvermögen, Ängste und Unsicherheiten. Die Führungskräfte müssen hier eine Perspektive geben und zeigen, warum sich die Weiterbildung für die Digitalisierung lohnt. Sie brauchen auch spezielle Qualifizierungsmaßnahmen für IT-Rollen. Firmen dürfen daher die Weiterbildung nicht vernachlässigen. Sie ist gerade jetzt sehr wichtig. Es gilt aber, das richtige Maß zu finden.
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