Das leistet die Fabrik der Zukunft schon heute

Thyssenkrupp testet Hololens

von - 12.10.2017
Nicht mehr ganz neu, aber immer noch beeindruckend ist der testweise Einsatz von Microsofts Datenbrille Hololens bei Thyssenkrupp. Dessen Sparte Elevator, die Aufzüge fertigt und wartet, hat Servicetechniker mit der Mixed-Reality-Brille von Microsoft ausgestattet. Sie stellt den Technikern vor Ort weiterführende Informationen wie Handbücher zur Verfügung. Außerdem kann sie Bilder von defekten Systemen schießen und zur Begutachtung an einen Spezialisten weiterleiten. Ersten Erfahrungen von Thyssenkrupp Elevator zufolge lassen sich Reparaturen bis zu viermal schneller erledigen, wenn die Wartungsfachleute mit Datenbrillen arbeiten.
Umsatz mit Industrie 4.0
Der Umsatz mit Hard- und Software sowie Services für Industrie 4.0 soll in Deutschland Jahr für Jahr um rund 20 Prozent wachsen - auf über 7 Milliarden Euro 2018.
(Quelle: Bikom e.V. )
Auch Schulungs- und Trainingsinhalte kann man mit dem neuen System in unterschiedlichen Formaten aufrufen. Mitarbeiter können so direkt an der Maschine ihr Wissen ausbauen und erworbene Kenntnisse anwenden. Neue und ungeschulte Kollegen werden dazu befähigt, ab dem ersten Tag selbstständig zu lernen und zu arbeiten. Aber auch routinierten Mitarbeitern kann die Brille helfen, komplexe Maschinen zu bedienen.
Für Unternehmen bedeutet das nicht nur einen Gewinn an Produktivität, so Microsoft und Thyssen­krupp. Sie sehen in dem System zudem ein Mittel, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Grund: Durch die Hilfestellung über eine Datenbrille können auch weniger versierte Mitarbeiter komplexe Aufgaben übernehmen.

Alte Systeme anbinden

Zu den größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Industrie-4.0-Konzepten zählt, dass auch ältere Maschinen und Anlagen eingebunden werden müssen. Denn viele solcher Anlagen sind mehr als zehn oder 15 Jahre im Einsatz. Mal eben schnell neue, „intelligente“ Werkzeugmaschinen und Bearbeitungszentren einzuführen, um Industrie 4.0 Realität werden zu lassen, ist schon allein aus Kostengründen für Fertigungsunternehmen nicht akzeptabel. Daher müssen Wege gefunden werden, die alte mit der neuen Welt zu verknüpfen. Eine Option könnte darin bestehen, vorhandene Fertigungskomponenten mit Sensoren auszustatten und an IoT-Gateways anzubinden. Auf diese Weise hat beispielsweise Bosch im Rahmen einer Marketingaktion eine 130 Jahre alte Drehbank aus dem Besitz des Firmengründers Robert Bosch für Industrie 4.0 fit gemacht.
Und das Karlsruher Fraunhofer-Institut IOSB hat mit dem „Plug and Work Cube“ eine Nachrüst-Box für ältere Indus­trieanlagen vorgestellt.
Die Nachrüstlösung besteht aus einer Hardware (dem Cube) in Gestalt eines Industrie-PCs mit Windows als Betriebssystem. Hinzu kommt ein Assistenzsystem, mit dem eine Maschine oder Produktionsanlage ohne Modellierungs-Know-how eindeutig beschrieben werden kann. Aus diesem Modell wird ein Kommunikations-Server erzeugt, an den sich IT-Systeme oder IoT-Plattformen anschließen lassen. Diese wiederum werden mit der Maschine verknüpft. „Im Prinzip ist das ganz ähnlich wie die Installation eines USB-Geräts, beispielsweise eines Druckers, am Büro-PC“, erklärt Olaf Sauer, Projektleiter beim Fraunhofer-Institut.
Auf dem Plug and Work Cube können auch Daten der angeschlossenen Maschinen gespeichert werden. „Die Mitarbeiter in der Betriebsleitung sehen jederzeit, was an der Maschine gerade los ist, und erkennen sofort, wenn Probleme auftauchen. So herrscht Transparenz beim Geschehen in der Fertigungshalle."
Rolls Royce
Rolls-Royce: Der Hersteller von Flugzeugturbinen erfasst mit Sensoren viele Parameter, die mit einer IoT-Plattform von Microsoft ausgewertet werden.
Foto: Rolls-Royce
Anwendungsszenarien Industrie 4.0
Auftragsgesteuerte Produktion: Die Vernetzung autonomer Produktionssysteme über die eigene Fabrik hinaus. Unternehmen arbeiten ad hoc mit unterschiedlichen Auftragsfertigern zusammen, um Kleinstserien herzustellen.
Anwenderunterstützung: Digitale Assistenzsysteme in Form von Mobilgeräten und Datenbrillen helfen dem Bediener von Maschinen, Prüfsysteme führen Schritt für Schritt durch Qualitäts-Checks.
Value-based Services: Bei der vorausschauenden Instandhaltung (Predictive Maintenance) werden Prozess- und Zustandsdaten aus der Produktion an einen Dienstleister oder den Hersteller der Maschinen übermittelt. Dieser kann noch vor dem Ausfall von Komponenten Wartungsarbeiten und Reparaturen durchführen. Informationen, wie Anwender Produkte einsetzen, erlauben es Herstellern, neue oder modifizierte Produkte zu entwickeln.
Transparenz und Wandlungsfähigkeit: Automatisch erhobene Daten geben Aufschluss über die Nutzung von Produkten und helfen so, deren Qualität zu optimieren und Marktlücken aufzuspüren. Kritisch ist dabei der Datenschutz.
Wandlungsfähige Fabrik: Fertigungssysteme und Kapazitäten einer Fabrik werden permanent an neue Anforderungen angepasst. Dafür müssen Systemintegratoren und Maschinenlieferanten mit dem Betreiber der Fabrikationsanlage kooperieren.
Selbstorganisierende adaptive Logistik: Transportprozesse zwischen Kunden, Herstellern, Zulieferern, Distributoren und Logistikern sowie innerhalb von Unternehmen gehen Hand in Hand, etwa bei der auftragsgesteuerten Produktion.
Smarte Entwicklung: Auf der Grundlage einer kollaborativen Produktentwicklung und virtueller Modelle von Produkten wird ein durchgängiger Entwicklungsprozess etabliert. Parallel dazu werden Produktionssysteme und Services mit Infos versorgt, um den Aufwand für Herstellung und Wartung zu senken. Das setzt Fertigungsanlagen mit Selbstoptimierungsfähigkeiten vo­raus, die sich leicht an neue Anforderungen anpassen lassen. Teams wie das Spitzencluster Intelligente Technische Systeme Ostwestfalen-Lippe arbeiten an solchen Konzepten.
Innovative Produktentwicklung: Hier geht es um die frühen Phasen der Produktentwicklung. In sie sollen alle internen und externen Interessengruppen eingebunden werden: Kunden, Engineering-Dienstleister, Communities und Software-Entwickler.
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