Warum Digitalisierungsprojekte scheitern

Kompetenz

von - 08.05.2020
Ein Mangel an Kompetenz und Know-how kann Digitalisierungsprojekten ebenfalls zum Verhängnis werden. „Die IT steht am Wendepunkt“, erklärt Markus Kammermeier, „sie muss sich vom ‚Wächter der Steck­dose‘ zum Sparringspartner der Geschäftsbereiche entwickeln.“ Dies erfordere einen enormen Sprung im Reifegrad, der nur mit entsprechenden Kompetenzen und dem richtigen Mindset zu schaffen sei. „Viele Mittelständler sind bereits ein gutes Stück vorangekommen und haben ein gutes Demand-Management in ihrer IT etabliert“, führt Kammermeier aus. „Aber die nächste Stufe, strategischer Berater der Business-Units zu werden, ist noch einmal ein Riesenschritt für die IT-Abteilungen.“
Accenture fordert daher neue Ausbildungs- und Führungskonzepte - nicht nur für die IT. „Die Digitalisierung verändert nicht nur die Interaktion mit dem Kunden. Sie beeinflusst die komplette Arbeitsweise“, heißt es im „Neuen Weckruf“. Digitalkompetenz müsse in allen Ebenen aufgebaut werden. Der CEO braucht sie beispielsweise, um zwischen den widersprüchlichen Interessen der Führungskräfte vermitteln zu können. „Je größer ein Unternehmen, desto schwieriger wird es, die Egos und die Leute zusammenzubringen“, sagt Carlo Velten. Um Geschäftsprozesse wirklich effizient digitalisieren und automatisieren zu können und um mit den Daten der Fachbereiche neue Geschäftsmodelle und Services generieren zu können, brauche es eine enge Zusammenarbeit. „Wenn da der Wurm drin ist, kann man das Projekt eigentlich gleich knicken.“
So bringen Sie Ihr Digitalisierungsprojekt garantiert zum Scheitern
Zehn nicht ganz ernst gemeinte Tipps zur Digitalisierung:
1. Denken Sie groß: Bei der Digitalisierung darf kein Stein auf dem anderen bleiben. Nicht umsonst heißt es „Disruption“. Fackeln Sie also nicht lange, sondern ersetzen Sie auf einen Schlag Ihre Manufaktur durch eine vollautomatisierte Smart Factory, in der autonome Roboter in Sekundenschnelle massenhaft Produkte in Losgröße eins produzieren können.
2. Seien Sie großzügig: Investieren Sie gleich am Anfang mindestens einen zweistelligen Millionenbetrag. Niemand wird es wagen, ein Projekt zu stoppen, in dem bereits derart viel Geld verbrannt wurde. Falls Sie nicht wissen, wohin mit den Unsummen: Berater sind eine hervorragende Möglichkeit, sehr viel Geld in kurzer Zeit loszuwerden. Weitere Tipps gibt Ihnen gerne Ursula von der Leyen.
3. Seien Sie ungeduldig: Die Welt wartet nicht auf Zauderer, geben Sie deshalb richtig Gas und setzen Sie sich herausfordernde Ziele. Drei Monate Vorlauf sollten für Ihr Smart-Factory-Projekt vollauf genügen.
4. Seien Sie misstrauisch: Niemand in Ihrem Unternehmen arbeitet freiwillig, das sollte Ihnen klar sein. Überwachen Sie deshalb alle Projektmitarbeiter auf Schritt und Tritt. Fordern Sie regelmäßige Status-Updates, am besten im Stundentakt.
5. Werden Sie agil: Zu jedem Digitalisierungsprojekt gehört ein agiles Mindset. Führen Sie daher Scrum, Kanban und anderes agiles Gedöns ein. Selbstverständlich lassen Sie sich jede in den Teams getroffene Entscheidung zum Absegnen vorlegen. Oder was haben Sie an Punkt 4 nicht verstanden?
6. Kommunizieren Sie richtig: Kommunikation ist das A und O in jedem Change-Prozess. Wichtig ist dabei vor allem, dass Ihre Mitarbeiter keinen Wind von Ihren wahren Plänen bekommen. Reden Sie beim Abbruch der Fabrikanlagen beispielsweise von „Verschönerungsmaßnahmen“, Massenentlassungen lassen sich gut als „notwendige Anpassungen“ deklarieren.
7. Übernehmen Sie Verantwortung: Klimaschutz, Umwelt und soziale Gerechtigkeit sollten Ihnen am Herzen liegen. Worte wie „ganzheitlich“ und „nachhaltig“ dürfen daher in keiner Projektplanung fehlen, auch wenn Sie für Ihre Smart Factory hektarweise Regenwald roden und Tausende von Arbeitsplätzen abbauen.
8. Glauben Sie an Technik: Ganz nach dem Motto „There is an app for it“, sollten Sie jedes Problem mit Technik erschlagen. Die Kommunikationskultur in Ihrem Unternehmen ist miserabel, die Leute reden nicht miteinander? Führen Sie Teams, Yammer, Trello und zehn andere Social-Collaboration-Tools ein und zwingen Sie jeden, mindestens einmal pro Stunde einen Yammer-Beitrag zu schreiben oder an einem Teams-Meeting teilzunehmen.
9. Identifizieren Sie den Schuldigen: Falls das Projekt wider Erwarten schiefgeht, brauchen Sie natürlich einen Sündenbock. Feuern Sie in diesem Fall den Projektleiter. Falls Sie selbst der Projektleiter sind, feuern Sie irgendjemanden.
10. Ziehen Sie keine Bilanz: Digitalisierungsprojekte dürfen keinesfalls an ihren Ergebnissen gemessen werden. Erklären Sie Ihr Projekt daher irgendwann als „erfolgreich beendet“. Alternativ können Sie auch erklären, die Rahmenbedingungen hätten sich geändert, daher müsse man die Projektziele neu justieren. Heuern Sie dafür am besten einen weiteren Schwung Berater an.
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