Die Digitalisierung verändert die Luftfahrt

Luftfahrt-Experten im Interview

von - 24.01.2018
Marc Bachmann
Marc Bachman, Bereichsleiter Luftfahrt und Verteidigung beim Digitalverband Bitkom
(Quelle: Bitkom )
Marc Bachman ist Bereichsleiter Luftfahrt und Verteidigung beim Digitalverband Bitkom. Mit com! professional spricht er über die Veränderungen in der Luftfahrt aufgrund der Digitalisierung.
com! professional: Herr Bachmann, Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte 2017 zum „Jahr der Digitalisierung“ ausgerufen. Warum ist die Digitalisierung für Fluggesellschaften so wichtig?
Marc Bachmann: Die Digitalisierung führt in der deutschen Luftfahrt zu grundlegenden Veränderungen der Marktbedingungen: Geschäftsmodelle ändern sich und neue Wettbewerber drängen in angestammte Märkte. Wer am Ball bleiben will, muss die Digitalisierungspotenziale ausschöpfen. Digitale Technologien helfen, Prozesse zu optimieren und Kosten zu senken. Sie sind Hebel für mehr Wachstum, können die Produktivität steigern und treiben Innovation an.
com! professional: Und welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Geschäftsmodelle? In der Luftfahrt geht es doch darum, Passagiere und Fracht von A nach B zu bringen …
Bachmann: Natürlich ist die Luftfahrtbranche eine tradi­tionsreiche Branche mit Geschäftsmodellen, die auch heute noch funktionieren. Großes Potenzial steckt aber zum Beispiel in der Datenauswertung. Bei einem datenbasierten Geschäftsmodell könnte ein Unternehmen etwa Informationen zum Passagierverhalten an Flughäfen auswerten und darauf aufbauend eine Navigations-App entwickeln.
Auch plattformbasierte Geschäftsmodelle sind die Zukunft. Dabei können über eine digitale Plattform etwa Luftfracht und Flugzeuge zusammengebracht werden.
com! professional: E-Tickets, Online-Check-in … – ist die Luftfahrt nicht schon ziemlich digital?
Bachmann: Die Luftfahrtbranche hat noch Aufholpotenzial. Fast die Hälfte der Unternehmen sehen sich selbst als digi­tale Nachzügler. Das zeigt eine Befragung im Auftrag des Bitkom. Demnach zählen zwar 46 Prozent der Konzernchefs ihr Unternehmen zu den digitalen Vorreitern. Fast genauso viele Unternehmen sehen sich allerdings im Hintertreffen.

In Zehn Jahren verschmelzen An- und Weiterreise

Konrad Best
Konrad Best, Leiter Digital bei der Flughafen München GmbH
(Quelle: Flughafen München GmbH )
Wie verändert die Digitalisierung die Flug­häfen? com! professional spricht darüber mit Konrad Best, Leiter Digital bei der Flughafen München GmbH.
com! professional: Herr Best, warum ist das Thema Digitalisierung für das Flughafen-Business so wichtig?
Konrad Best: Unsere Kunden und Passagiere haben gelernt, dass beim Einkaufen und bei Dienstleistungen die Auswahl und Bewertung der Angebote digital erfolgen kann. Auch der Flughafen München wird die Kontaktpunkte zu den Passagieren digitalisieren. Dienstleistungen am Flughafen können dann im Vorfeld geplant und gebucht werden. So wird etwa in Zukunft die Anreise zum Flughafen via App digital plan- und buchbar.
com! professional: Externe Parkplatzanbieter, Shopping bei Amazon & Co. und dank Online-Check-in kommt man erst kurz vor dem Abflug zum Flughafen – ist die Digitalisierung nicht auch eine Gefahr für Flughäfen, die mittlerweile einen großen Teil ihres Umsatzes im Non-Aviation-Bereich generieren?
Best: Gerade im Umfeld Parken bietet die Digita­lisierung ebenso viele Chancen wie Risiken. Die Auswertung der Verhaltensdaten unserer Passagiere ermöglicht es uns, passgenaue Angebote zu entwickeln. So kann es uns gelingen, Passagiere, die heute bei externen Parkplatzanbietern parken, wieder zum Flughafen München zurückzuholen. Schon heute sind Parkplätze digital buchbar. Im Wettbewerb mit den digitalen Marktführern müssen wir unsere Stärken ausspielen. Wenn wir genau wissen, wer wann abfliegt und landet und was dessen Bedürfnisse sind, können wir digital zur richtigen Zeit die richtigen Angebote platzieren.
com! professional: Was meinen Sie, wie sieht das Abfliegen und Ankommen am Flughafen München in zehn Jahren aus? Was wird sich verändern?
Best: Vieles scheint möglich: In zehn Jahren verschmelzen An- und Weiterreise. Der Passagier plant seine intermodale Reise zu Hause auf dem Sofa. Die Koffer werden am Vortag schon von einem autonom fahrenden Gepäckwagen abgeholt und verladen. Der Transport zum Flughafen erfolgt ebenfalls mit einem autonom fahrenden Fahrzeug, welches nach Ankunft selbsttätig parkt und sich wieder auflädt. Wartezeiten gibt es nicht mehr.
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