Digitalisierung schafft Individualisierung

Tücken der Preisfindung

von - 04.07.2017
Die Preise auf Amazon.com schwanken im Lauf eines Tages mitunter ohne ersichtlichen Grund recht erheblich. Sowohl die vielen Drittanbieter als auch Amazon selbst testen gern die Bereitschaft der Käufer, mehr zu zahlen – und manchmal auch die Neigung der Mitbewerber, sich auf einen Preiskrieg einzulassen. Die tägliche Preisgestaltung auf Basis von Künstlicher Intelligenz ist bei Amazon mittlerweile gang und gäbe, und Lösungen wie der Amazon Algorithmic Repricer von Feedvisor gelten als bewährte Werkzeuge zur Maximierung der Gewinnspanne.
Wenn jedoch das „individualisierte“ Marketing dem Käufer keinen Mehrwert bietet, dann ist ein Desaster vorprogrammiert. Im September vergangenen Jahres musste Amazon genau diese Lektion auf schmerzliche Weise lernen. Der E-Com­merce-Gigant hatte dieselbe Massenware an Einzelkunden zu wesentlich unterschiedlichen Preisen verkauft – zeitgleich. Die Käufer fanden, der Internetriese habe es mit seiner Experimentierfreude zu weit getrieben. Die Empörung war immens, weil der Online-Anbieter in seine Preisgestaltung Daten wie das durchschnittliche Haushaltseinkommen am Wohnsitz des Käufers, das Alter oder ähnliche demografische Kennzahlen einbeziehen könne, die mit dem Produkt selbst gar nichts zu tun haben.
Bernhard Rohleder
Dr. Bernhard Rohleder
Hauptgeschäftsführer
Bitkom e.V.
www.bitkom.org
Foto: Bitkom
„Digitalisierung heißt Individualisierung.“
Amazon hat sich denn auch prompt entschuldigt und den betroffenen Käufern das Geld erstattet. Doch der Imageschaden blieb. Individuelle Preisgestaltung ohne neue Wertschöpfung hat sich für Amazon als klarer Fehler erwiesen.
Damit Individualisierung zum Erfolg führt, muss sie für den Kunden zumindest subjektiv einen Mehrwert schaffen. Gelungen ist das zum Beispiel Chocri.de. Auf dem Webportal der traditionsbewussten Schokoladenmanufaktur können Käufer Form, Verpackung und Zutaten ihrer Schokoladen­tafel konfigurieren. Das handgemachte Produkt, das dabei herauskommt, verfügt über einen Mix-Code, der dem Käufer bei einer Nachbestellung trotz der mehr als 27 Milliarden Optionen eine garantierte Punktlandung sichert.
Was eine Schokoladenmanufaktur kann, können auch andere Hersteller. Mit der App BMW Individual 7er Augmented Reality können Käufer ihr Wunschauto aus individuellen Bauteilen konfigurieren und anschließend virtuell in Szene setzen. So entsteht – in den Worten des Autobauers – „eine faszinierende Einheit aus Realität und Vorstellung“.
Der Kunde kann sein Wunschfahrzeug auf dem Smart­phone etwa vor der eigenen Haustür „parken“ und aus allen Blickwinkeln betrachten, um seiner Vorstellungskraft auf die Sprünge zu helfen. Das virtuelle Auto verleiht dem persönlichen Stil des Fahrers einen sichtbaren Ausdruck und markiert den Anfang der Customer Journey, die mit dem Kauf nicht enden muss – bei BMW beginnt sie dann sogar erst richtig.

Fazit

Im digitalen Zeitalter müssen sich Unternehmen einer neuen Herausforderung stellen: Verbraucher erwarten flexible, anpassungsfähige, maßgeschneiderte Lösungen, die sie selbst mitgestalten. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom, bringt es auf den Punkt: „Digitalisierung heißt Individualisierung.“
Mit Technologien wie IoT-Sensorik, Big-Data-Analyse und 3D-Druck wird die kundengerechte Individualisierung Wirklichkeit.
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