Digitalisierung löst viel blinden Aktionismus aus

Neue Software im Einsatz

von - 30.08.2019
com! professional: Ein großes Thema in der Schweiz ist die Migration von SAP auf S/4HANA. Wo stehen die Schweizer Anwenderunternehmen?
Camuso: Die Schweizer Kunden stehen vor der Wahl: Wenn bei ihnen sowieso eine Veränderung ansteht, weil sie beispielsweise eine Firma gekauft haben oder weil sie anderweitig Systeme konsolidieren müssen, dann sind sie Early Adopters. Bevor sie noch in die alte Infrastruktur investieren, wechseln sie lieber gleich auf S/4HANA. Diese Projekte laufen zurzeit.
Die großen Umsätze erwarte ich aber für 2020 und in den Folgejahren. Dann rückt das Support-Ende 2025 bedrohlich nahe, sodass die Mehrheit reagieren muss. Für den Ansturm ist T-Systems Schweiz - insbesondere durch den großen Ressourcen-Pool im Heimmarkt - aber bestens vorbereitet. Insgesamt beschäftigen wir rund 3.000 SAP-Spezialisten, von denen viele in München oder Stuttgart zu Hause sind. Diese Personen sind schneller bei einem Kunden in der Schweiz vor Ort als zum Beispiel in Bonn.
Und dem auch schon gehörten Argument der Konkurrenz, dass ein „kleines“ Projekt hierzulande sofort auf Eis gelegt wird, sobald ein großer deutscher Kunde ruft, können wir mit vertraglich fixierten Leistungen entgegentreten. Denn die Spezialisten sind in ausreichender Anzahl vorhanden, sie müssen nur adäquat geplant werden.
com! professional: Wir haben eine große Ausschreibung des Bundesamts für Informatik und Telekommunikation BIT gesehen, bei der ein Outsourcing-Partner für Mainframes gesucht, aber nicht gefunden wurde. Warum gab es kein Gebot von Ihnen? Was war der Knackpunkt?
Camuso: In dem Projekt wollte das BIT die Infrastruktur bei sich behalten und lediglich Ressourcen einkaufen, welche die Systeme betreuen. Allerdings mussten diese Ressourcen ausnahmslos in der Schweiz angesiedelt sein. Hier einen Business-Case, der sich für beide rechnet, zu bauen, war für uns leider unmöglich. Denn erstens sind unsere Mitarbeiter wohl nicht günstiger als die Angestellten des BIT. Und zweitens ging es auch nicht um eine riesengroße Ins­tallation, bei der es Skaleneffekte gegeben hätte.
Dennoch haben wir uns die Ausschreibung angesehen und wären auch durchaus interessiert gewesen, beschäftigen wir doch 15 Mainframe-Spezialisten in Zollikofen. Damit wäre die Kapazität und sogar die räumliche Nähe durchaus vorhanden gewesen. Aber ohne Case kein Angebot.
com! professional: Welche Kundenanfragen lehnen Sie ab?
Camuso: Strategisch haben wir uns vorgenommen, End User Services oder Desktopmanagement nicht mehr als eigenständige Offerings selbst zu liefern. Wenn nun ein Kunde wie beispielsweise V-Zug ein Full Outsourcing bestellt, lehnen wir den Auftrag aber deshalb nicht ab. In Gesamt­projekten offerieren wir es und kooperieren mit Partnern.
Ähnlich verhält es sich mit dem Mainframe-Geschäft. Mainframe machen wir heute noch. Da viele Kunden - wie beispielsweise die SBB - sich langsam, aber sicher von den Großrechnern verabschieden, wird das Geschäft für uns ebenfalls schwieriger. Das ist auch ein Grund, weswegen wir eine Zusammenarbeit im Bereich Mainframe Services mit IBM vertiefen wollen. Wir wollen die Leistung weiterhin anbieten können - dies allerdings mit einem anderen Liefermodell.
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