Digitalisierung löst viel blinden Aktionismus aus

Digitalisierung fordert Umorganisation

von - 30.08.2019
com! professional: Wie ist T-Systems Schweiz neu organisiert?
Camuso: Wir haben uns neu in Portfolio-Einheiten auf­gestellt. Die größte in der Schweiz ist die Managed Infrastructure, also das Outsourcing-Geschäft. Weitere Bereiche sind Digital Solutions, die Public Cloud, SAP, Security und das Telekommunikations-Business.
com! professional: Angesichts dieser vertikalen Organisation könnte sich die Frage aufdrängen, ob überhaupt noch eine Schweizer Organisation notwendig ist?
Camuso: Die Überlegung ist durchaus berechtigt. Allerdings wird die Schweizer Organisation von T-Systems überhaupt nicht infrage gestellt. Im Konzern gibt es einige Fokusländer - darunter ganz klar die Schweiz -, in denen man auf eine Vorortpräsenz setzt. Spanien mit seinen 2500 Angestellten ist ein anderes Beispiel: großartig, was die Kollegen dort leisten. Es ist ein Ansporn für uns, auch in der Schweiz weiter zu wachsen.
com! professional: Wo ordnen Sie sich als Country Manager in der neuen Organisation ein?
Camuso: Ich bin der Geschäftsführer der Schweiz. Als Geschäftsführer eines der Fokusländer gehöre ich dem Top-50-Manager-Kreis im globalen T-Systems-Konzern an. Gleichzeitig bin ich der direkte Vorgesetzte der Sales und Portfolio Leader. Die Bereiche Finanzen und HR sind in einer Matrix eingegliedert.
com! professional: Wie wirkt sich die Neustrukturierung beispielsweise für einen Software-Entwickler aus?
Camuso: Aus Mitarbeiterumfragen bekommen wir zurückgemeldet, dass die Angestellten ihren Einfluss auf das Business wachsen sehen. In einem Meeting stand jüngst ein Data-Center-Administrator auf und sagte: „Ich bin jetzt 15 Jahre bei T-Systems. Jetzt habe ich das erste Mal den Eindruck, dass meine Stimme wirklich gehört wird. Ich kann Ideen einbringen und sehe, dass sich meine Vorgesetzten ernsthaft damit beschäftigen. So macht die Arbeit Freude.“
Neu haben die Angestellten auch immer andere Tischnachbarn. Eine eigene Etage ausschließlich für die Geschäftsleitung gibt es nicht mehr. Vielmehr sitzen alle im Open Space oder in Project Offices. Diese neuen Bürowelten gibt es zwar woanders auch (und T-Systems hat sie nicht erfunden), neu gibt es sie aber eben auch bei T-Systems.
Daneben sind die Wege intern viel kürzer geworden. Wir haben Hierarchien abgebaut und die Kommunikation intensiviert. Ich und Kollegen der erweiterten Geschäftsleitung treffen sich regelmäßig in den Kaffeeecken mit den Angestellten zu Fragerunden. Dort werden Probleme diskutiert und auch Projekte vorgeschlagen. Wer mit einer guten Idee kommt, kann auch mit einer Budgetzusage aus der Kaffeepause zurückkehren.
com! professional: Wie wurden Sie als Manager befähigt, Ihren An­gestellten nun die neue Arbeitsweise ohne die typischen Hierarchien vorzuleben?
Camuso: Wir haben ein Transformationsteam gebildet, mit dem wir eine Roadmap ausgearbeitet haben. Das Ziel war für mich nicht unbedingt die Holacracy, sondern flache Hierarchien und viel Eigenverantwortung für alle. Jeder, der den Weg mitgehen will, bekommt Zeit, sein eigenes Tempo zu gehen. Wer den Weg nicht mitgehen will, muss in einer anderen Firma glücklich werden. Denn: Wenn wir die He­rausforderungen unserer Kunden meistern wollen, können wir es nur schaffen, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Befehle und Weisungen aufgrund von Hierarchiestufen funktionieren nach meiner Meinung nur noch bedingt, wir müssen hier alle zu „neuen Ufern“ aufbrechen. Das geschieht nicht von heute auf morgen, aber der Start ist geglückt und wir sind auf dem Weg.
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