Digitalisierung löst viel blinden Aktionismus aus

Hindernisse für die digitale Transformation

von - 30.08.2019
com! professional: Welche Hindernisse sehen Sie für die Digitalisierung: Unternehmenskultur, Mitarbeiter, Kunden?
Camuso: Für eine Immobilienfirma entscheidet die Lage den Wert einer Liegenschaft, bei der Digitalisierung ist es die Unternehmenskultur. Jede Firma ist geprägt von einer Kultur und ihren Mitarbeitern. Die Kultur prägt das Mindset und um die Firma in das „digitale Zeitalter“ zu führen, muss sich das Mindset der Mitarbeiter ver­ändern. Je länger der Mitarbeiter im Unternehmen ist, desto ausgeprägter ist das „alte“ Mindset und deshalb muss man als Unternehmung hier Zeit und Ressourcen investieren, um die Mitarbeiter mit auf den Weg zu nehmen. Denn nur wenn die Mitarbeiter den „digitalisierten Weg“ mitgehen, kann es ein nachhaltiger Erfolg werden.
com! professional: Welche Verhaltensweisen der Angestellten haben Sie bei Kunden beobachtet?
Camuso: Eine Reaktion ist, dass sich die Mitarbeiter an bisherigen Prozessen und Systemen festhalten. Sie müssten aber lernen loszulassen und ihre Kenntnisse in die neuen Themen einzubringen. Denn nur so können sie einen Mehrwert generieren. Damit sie diese Chance sehen, müssen ihre Vorgesetzten ihnen das Vertrauen geben und sie ermutigen, sich aus der bisherigen Komfortzone he­rauszuwagen. Ohne dabei Befehle zu erteilen, denn das Festhalten an Hierarchien steht für vergangene Praktiken. Sie werden in der digitalen Welt nicht mehr funktionieren.
Bei Unternehmen ist ein ähnliches Umdenken erforderlich. Wenn einem IT-Mitarbeiter diktiert wird, dass er nächsten Monat nicht mehr für SAP zuständig ist, sondern etwa für IoT, dann wird das zu Verunsicherung führen, da der Erfolg des Neuen noch ungewiss ist (zumindest im Gegensatz zum Bekannten). Daher muss man die Mitarbeiter für das Neue gewinnen.
Einige Unternehmen gewinnen gute Mitarbeiter für sich, weil sie eine weltbekannte Marke sind und auch den Mit­arbeitern zum Teil überdurchschnittliche Leistungen bieten können. Mittelständische Firmen haben das Problem, dass sie weder den Ruf eines Großkonzerns haben noch bei den Benefits mithalten können. Deshalb muss ein solches Unternehmen mit einer anderen Arbeitsumgebung und Kultur glänzen und einen starken Fokus auf die Weiterentwicklung der bestehenden Mitarbeiter legen. Das zahlt dann auch in die Kultur der Unternehmung ein.
com! professional: Wie hat sich T-Systems aufgestellt, um den Kunden bei der Digitalisierung zu helfen?
Camuso: Der neue CEO Adel Al-Saleh hat eine Transforma­tion des Konzerns gestartet, um den Kundenfokus noch weiter zu stärken. Damit einher ging ein Umbau zu einer agilen Organisation und der Ausbau zum Digitaldienstleister. Man investiert in die „neuen“ Themen und zum anderen verschlankt man Prozesse massiv.
Davon sind bis zu 10.000 Mitarbeiter betroffen: Über drei Jahre werden rund 4.000 Stellen verlagert und 6.000 entfallen. Viele dieser Jobs waren im Backoffice angesiedelt, wo T-Systems bislang noch archaisch unterwegs war. Hier hat Al-Saleh aufgeräumt.
Mit dieser Transformation war und ist T-Systems zugegebenermaßen vergleichsweise spät dran. Die Marktbegleiter haben den Prozess mittlerweile schon einige Jahre angestoßen oder bereits hinter sich.
com! professional: Welche Auswirkungen hat die Transformation auf das Schweizer Geschäft?
Camuso: Parallel zur Transformation im Gesamtkonzern wurde auch die Schweizer Organisation neu aufgestellt. In der Folge haben wir schon im vergangenen Jahr wieder große Neukunden gewonnen. Ein Beispiel ist der Industriekonzern V-Zug, der sich für ein initiales Full Outsourcing entschieden hat. Weiter ist die Versicherung Baloise neu Kunde von T-Systems. Bei unserem Schlüsselkunden, den SBB, konnten wir das Geschäft ausbauen, und mit dem Einzelhändler Valora sowie einigen anderen Bestandskunden haben wir zuletzt die Verträge erneuert. Mit diesen neuen und den bestehenden Kunden haben wir alle KPIs für das abgelaufene Jahr erreicht - was kein Selbstläufer war neben der internen Transformation.
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