Digitaler Wandel

Digitalisierung löst viel blinden Aktionismus aus

von - 30.08.2019
Digitale Transformation
Foto: Olivier Le Moal / shutterstock.com
T-Systems schafft Kunden Freiräume für ihre Transformation - und wandelt sich selbst. Wichtig ist jedoch, auch bei der Digitalisierung klare Ziele zu haben, statt einfach blind loszulaufen.
Stefano Camuso
Stefano Camuso: Managing Director T-Systems Schweiz
(Quelle: T-Systems Schweiz )
Einem IT-Unternehmen geht es wie jedem Anwenderkonzern: Die digitale Transformation verändert vieles, wenn nicht sogar alles. Das hat auch T-Systems erfahren (müssen). Über Jahre gewachsene Prozesse und Strukturen waren Bremsklötze im Geschäft. Mittlerweile hat sich die Tochter der Deutschen Telekom auch in der Schweiz neu aufgestellt, berichtet Managing Director Stefano Camuso. Im Interview spricht er außerdem davon, was unabdingbare Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wandel sind - und was Unternehmen unbedingt vermeiden müssen.
com! professional: Welche zwingenden Voraussetzungen sehen Sie für Digitalisierungsprojekte bei Kunden?
Stefano Camuso: Die wichtigste Voraussetzung sind klare Ziele. Denn das Thema Digitalisierung ist heute so omnipräsent, dass viele in blinden Aktionismus verfallen, nur um irgendetwas zu tun. Dabei wird dann selten die Frage gestellt, welches Ziel mit einem Projekt tatsächlich verfolgt wird. Bei den Zielen geht es vornehmlich darum, ob das Unternehmen sein Geschäftsmodell verändern, ein neues Geschäftsfeld erschließen oder neue Zielgruppen gewinnen will. Im letzteren Fall wäre eine App zu einem Haushaltsgerät ein passendes Ziel, denn jüngere Konsumenten kaufen einen Backofen womöglich nur noch dann, wenn sie ihn per Smartphone fernsteuern können.
com! professional: Genügt eine App für die Digitalisierung?
Camuso: Eine App kann genügen, sie wird es aber in den wenigsten Fällen tun. Deshalb warne ich vor Scheuklappen bei der Zielfindung: Jedes Unternehmen muss bereit sein, sein heutiges Geschäft hypothetisch zur „Schlachtbank“ zu führen. In dieser Bereitschaft sehe ich momentan die größte Herausforderung in Digitalisierungsprojekten. Fehlt sie, denkt man nicht kontrovers genug, und so werden sowohl die Konkurrenten mit einer reinen Digitalstrategie als auch die digital gestarteten Wettbewerber immer im Vorteil sein.
Natürlich erschließt sich mir die Logik der Unternehmen, die sich der digitalen Transformation ihres Geschäftsmodells noch verweigern. Viele verdienen mit den traditionellen (manuellen) Prozessen noch sehr gutes Geld. Sie müssen nun ihre Cashcow um der Digitalisierung willen beschneiden. Denn: Wer zu lange zögert, kann den entscheidenden Zeitpunkt verpassen. Dann sinken die Einnahmen im bisherigen Geschäft, während die Konkurrenz mit den digitalen Angeboten die Zukunft für sich gewinnt.
com! professional: Können Sie ein Beispiel nennen?
Camuso: Nehmen wir den Fotohandel. Früher haben die Geschäfte an Kameras, Objektiven, Filmen, der Entwicklung und dem Zubehör verdient. Mittlerweile gibt es für alle ehemaligen Monopolangebote eine (günstigere und komforta­blere) Alternative. Kameras und Objektive kaufen wir online, Filme gar nicht mehr, statt der Film­entwicklung werden Fotos heute ausgedruckt. Die Foto­branche hat so gut wie alle Entwicklungen verschlafen. Nun steht sie vor dem Bankrott.
Deshalb kann es über die Notwendigkeit der Digitalisierung keine Zweifel geben. Dafür muss auch das jahrzehntelang bewährte Business hinterfragt und gegebenenfalls durch eine digitale Lösung ergänzt werden - sei es in einem Start-up oder einer Ausgründung. Wenn dann mit dem traditionellen Geschäft 100 Millionen verdient werden, mit dem neuen aber nur 50.000 Franken, benötigen beide Bereiche trotzdem Aufmerksamkeit. Oder es müssen Strukturen geschaffen werden, in denen sich auch das neue Geschäft entwickeln kann. Womöglich steckt im noch kleinen Business der Schlüssel, mit dem auch das bisherige Geschäft transformiert werden kann. Oder es wandelt sich zumindest zu einem lukrativen zweiten Standbein.
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