Digitale Transformation ist der falsche Begriff

Infrastruktur besteht maßgeblich aus AWS

von - 28.02.2019
Die Infrastruktur besteht maßgeblich aus Amazon Web Services. Die Cloud war von Beginn an die passende Lösung, wobei zeitweise viel Eigenentwicklung notwendig war. Die meisten Standardkomponenten waren (noch) nicht geeignet für unsere spezifischen Anforderungen. Ein gutes Beispiel dafür sind die digitalen Twins Hunderttausender Geräte in der Cloud. Eine solche Funktion gab es 2014 noch nicht als Standardlösung. Amazon IoT war noch nicht lanciert, Azure IoT auch nicht. Uns blieb also nichts anderes übrig, als die digitalen Twins selbst zu bauen, inklusive Managementkonsole und Datenverwaltung.
Mittlerweile haben die Anbieter nachgezogen, sodass wir schrittweise möglichst schnell unsere Eigen­entwicklungen ersetzen. Quasi: Murder your Darlings.
Hier zeigt sich ein grundsätzlicher Unterschied zu einer klassischen Enterprise-IT: Sie ist stark auf die Total Cost of Ownership ausgerichtet - eben eine Kostenstelle. Vorwerk Digital operiert hingegen in vielen Bereichen als Profit Center, das mehrere Stellschrauben hat - insbesondere Time-to-Market und Cost of Change. Wir müssen möglichst schnell neue Funktionen liefern und die alten ablösen. Hier liegt auch der Grund für die Anwendung von Cloud, Docker und OpenShift, die uns Flexibilität geben, Technologien schnell upgraden und tauschen zu können.
com! professional: Sie beschäftigen auch Mitarbeiter aus der tradi­tionellen Vorwerk-Organisation. Wie haben Sie die rekrutiert und wie das neue, agile und digitale Mind-Set vermittelt?
Ganns: Wie in jedem Unternehmen gibt es Leute, die unbedingt dabei sein wollten. Die Philosophien und Arbeitsweisen zwischen unserem Team und anderen Abteilungen waren aber zu Anfang schon sehr verschieden. Vorwerk plant langjährig, wir planen höchstens drei Monate und entwickeln Strategien für 12 bis 18 Monate - mit kontinuierlicher Evolution. Ein „Investment Board“ kommt einmal im Quartal zusammen, überarbeitet Prioritäten und Strategie und stattet die verschiedenen Projekt-Teams mit Ressourcen aus. Am Ende des Quartals müssen die Teams beweisen, dass sie gute Arbeit geleistet haben und neue Funktionen bieten können, die den Kunden nutzen.
Natürlich gibt es langfristige Projekte, die vielleicht nicht gleich nach drei Monaten ein fertiges Produkt zeigen können. Aber sie sollten in der Lage sein, ein Minimum Viable Product abzuliefern, das die künftigen Funktionalitäten immerhin andeutet. Den Wert dieses iterativen, inkrementellen Ansatzes erkennen dann immer mehr Leute. Das ist der entscheidende „Tipping Point“, an den man kommen muss.
com! professional: Ist Vorwerk durch das digitale Ökosystem von einer Produkte- zu einer Services-Firma geworden?
Ganns: Vorwerk war schon immer ein Unternehmen, das über seine Berater stark auf Service gesetzt hat. Ohne Zweifel haben wir aber zur Transformation beigetragen. Es ist ja so: Man kann ein Unternehmen von oben verändern oder man kann von außen Veränderung auf­gezwungen bekommen, aber in unserem Fall haben wir Vorwerk auch maßgeblich aus der zweiten Reihe in Richtung Digital transformiert, mit großer Unterstützung aus vielen Bereichen. Die Ingenieure haben etwa dabei unterstützt, ein Display in ein Küchengerät einzubauen, haben immer und immer wieder eine neue Software aufgespielt, getestet, verworfen und wieder getestet - das war 2012 alles andere als selbstverständlich.
com! professional: Ganz generell: Wie würden Sie die digitale Transformation definieren?
Ganns: Für mich ist digitale Transformation der völlig falsche Begriff. Denn in der Transformation ist das Digitale nur das Werkzeug. Die eigentliche Transformation besteht aus drei entscheidenden Elementen: Erstens der Transformation hin zu einem mündigen Kunden, den wir sehr ernst nehmen müssen. Früher haben wir ein Produkt gebaut und darauf gewartet, ob der Markt es annimmt oder nicht. Heute kann der Kunde schon vor und auch noch während der Produktentwicklung seine Meinung sagen - und tut es auch. Dieser Feedback-Loop muss ein Bestandteil der Produktentwicklung sein. Deshalb ist der Software-Teil des Produkts auch nicht komplett fertig, wenn es in den Markt geht. Das ist vollkommen normal heute.
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