Aufs Digital-Know-how der Mitarbeiter kommt es an

Wunsch und Wirklichkeit

von - 05.08.2019
Steuerloiche Vergünstigungen für Fortbildungen
(Quelle: Bitkom Research )
Wenn Experten gefragt werden, woher die große Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit bei der Umsetzung der Digital Dexterity kommt, geben sie oft keine klare Antwort. Die meisten denken, dass einfach die Prozesse zur Umsetzung der digitalen Fachkompetenzen fehlen. 2,3 Tage pro Jahr für Schulungen sind angesichts der Komplexität moderner Technologien auf jeden Fall zu wenig. Doch ohne Messwerte lässt sich ein nachhaltiger Effekt auf die Belegschaft nicht nachweisen und so wird neues Budget erst recht nicht bereitgestellt. 2,3 Tage entsprechen etwa 0,63 Prozent der Arbeitszeit - weniger als 1 Prozent. Das fällt schon in die Kategorie Rundungsfehler. Oder anders gesagt: In 99,37 Prozent der Zeit sind die Mitarbeiter von ihren Jobs okkupiert. Zeit um Neues zu lernen, bleibt da kaum.
Und eine weitere Schwachstelle haben die Verfechter der Digital Dexterity ausgemacht: Sie sind überzeugt, dass sich das Ziel dieses Konzepts nur erreichen lässt, wenn die Unternehmen fähig sind, neue Marktchancen rechtzeitig zu wittern und unmittelbar zu nutzen. Dafür brauche es eine Unternehmenskultur, in der die Mitarbeiter ihre eigenen Entscheidungsspielräume hätten, Kurskorrekturen selbstverständlich und die Führungskräfte mutig genug seien, schlechte Ideen und Projekte als solche zu erkennen und zeitnah einzustellen. Als Hauptproblem des Zeitalters der Digital Dexterity machen sie deshalb aus, dass viele Chefetagen zu starr und zu sehr nach Schema F handeln oder handeln müssen.
Dennoch bedeute Digital Dexterity keineswegs, dass Unternehmen keine fest definierte Strategie mehr haben sollten. Ganz im Gegenteil sei strategische Planung nach wie vor unvermeidlich. Doch vermittelten traditionelle strategische Planungen nur das trügerische Gefühl der Kontrolle in einer chaotischen Welt. Eine starre Unternehmensstrategie sei in einer Welt, in der die Ereignisse in Echtzeit und rund um die Uhr (24/7) verarbeitet werden müssten, einfach zum Scheitern verurteilt. Digital Dexterity setze voraus, dass Entscheidungen in Nahezu-Echtzeit getroffen werden - also ungefähr im Tempo von wenigen Klicks. Schließlich sei ja das Schlüsselwort in „Digital Dexterity“ eben „digital“.
Prf. Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen
Prof. Hartmut Hirsch-Kreinsen
Vorstandsmitglied FGW
www.fgw-nrw.de
Foto: Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung
„Zwischen der Einführung neuer Technologien und den Konsequenzen für die Arbeit gibt es keine eindeutigen, deterministischen Beziehungen.“

Fazit & Ausblick

Problem erkannt, aber noch lange nicht gebannt, könnte man die Disruptionen rund um den Digital Workplace zusammenfassen. Dass es neue Formen der Weiterbildung braucht und auch neues Denken gefragt ist, haben Wirtschaft und Politik erkannt. Nun müssen den Worten nur noch mehr Taten folgen.
Furcht vor der Flexibilisierung der Arbeitsweisen ist jedenfalls nicht angebracht, wenn es nach Professor Hirsch-Kreinsen geht. Für ihn stellen die neuen Optionen einer „marktorientierten digitalisierten Echtzeitsteuerung von Arbeitsprozessen im Kontext neuer Unternehmensstrategien und Geschäftsmodelle“ zwar „festgefügte Arbeitsstrukturen“ nachhaltig infrage. Einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie etwa stünden „mögliche Risiken und negative Arbeitsfolgen gegenüber, zum Beispiel neu entstehende prekäre Arbeitsformen, ein ungeklärter Umgang mit personenbezogenen Leistungsdaten sowie Leistungsverdichtung“. Doch betont Hirsch-Kreinsen zugleich, dass es keine „eindeutigen und deterministischen“ Konsequenzen bei der Einführung neuer Technologien gebe. Er sieht vielmehr „große Spielräume für die Arbeitsgestaltung“.
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