Agilität durch Culture Hacking

… und von unten

von - 16.10.2019
Culture Hacks Beispiel
Anschauungsmaterial: Bespiele für Culture Hacks finden sich auf Seiten wie Bizculturehackers.com.
(Quelle: com! professional / shutterstock.com )
Culture Hacks werden allerdings nicht nur von Managern eingesetzt, auch von unten lassen sich durch gezielte Nadelstiche Veränderungen anstoßen:
Die Klozeitung: In einer Technologiefirma kämpfte das „User Insights“-Team gegen die technokratischen Ansichten und Arbeitsweisen der Ingenieure, die das veränderte Verbraucherverhalten und die zunehmende Nutzung mobiler Endgeräte nicht berücksichtigten. Die Entwickler konzen­trierten sich auf immer schnellere und leistungsfähigere Chips und ignorierten dabei neue Anforderungen aus der Smartphone-Welt wie geringe Wärmeentwicklung und Energieeffizienz. Weder schöne PowerPoint-Präsentationen der Insights-Abteilung noch die persönliche Vorstellung der Erkenntnisse brachte eine Veränderung. Die Ingenieure weigerten sich einfach, die Informationen zur Kenntnis zur nehmen. Das Kundenteam entschied sich daher, seine Erkenntnisse dort zu veröffentlichen, wo sie nicht ignoriert werden konnten: auf der Innenseite der Toilettenkabinen. Der Hack wirkte und die Ingenieure nahmen, wenn auch widerwillig, die „Klozeitung“ zur Kenntnis. (Quelle: Hackthe.org).
Gefälschte Pressemitteilung: Ein etabliertes Großunternehmen ruhte sich auf den Leistungen der Vergangenheit aus und erkannte nicht, dass neue disruptive Entwicklungen sein Geschäftsmodell gefährdeten. Die unterbesetzte und unter­finanzierte Entwicklungsabteilung versuchte vergeblich, das Management von einer Kursänderung und einer besseren Ausstattung ihres Bereichs zu überzeugen. Daraufhin lancierten die Entwickler eine gefälschte Pressemitteilung eines Wettbewerbers, in der die Marktreife eines technologisch überlegenen Konkurrenzprodukts angekündigt wurde, und schickten sie an die Führungskräfte. Das Management schluckte den Köder und geriet in Panik. Als das Entwicklungsteam die Fälschung zugab, war die Führungsriege kurz davor, die komplette Mannschaft zu feuern, entschied sich dann aber doch dafür, mehr Ressourcen für innovative Projekte zur Verfügung zu stellen. (Quelle: Hackthe.org)
Qualm aus der Mikrowelle: In einem anderen Unternehmen musste das gesamte Research-and-Development-Team regelmäßig an vierstündigen Meetings teilnehmen, in denen jedes Team-Mitglied bis ins kleinste Detail über den aktuellen Stand und den Fortschritt seiner Projekte zu berichten hatte. Die
Abstimmung zwischen Interessensgruppen
(Quelle: Wipo "Digital Transformation Survey 2019")
Meetings waren langweilig und sinnlos, da es vor allem darum ging, vor dem oberen Management gut dazustehen, und nicht darum, sachliche Probleme zu lösen. Ein Mitarbeiter startete darauf hin einen Culture Hack, indem er während des Marathon-Meetings einen Beutel Popcorn in die Mikrowelle der Etagenküche legte und eine viel zu lange Garzeit einstellte. Wie geplant ging das Popcorn in Rauch auf und das gesamte Meeting musste evakuiert werden. Der Hacker schrieb daraufhin eine E-Mail an den Brandschutzbeauftragten des Unternehmens und wies ihn auf die Gefahren für die R&D-Abteilung hin, wenn sich in einem Brandfall sämtliche Mitarbeiter in einem Raum befinden. Er schlug vor, nur noch je einen Vertreter pro Projektteam in das Status-Meeting zu senden, um bei künftigen Bränden das Risiko zu verringern. Der Hack funktionierte und die Zahl der Meeting-Teilnehmer wurde drastisch reduziert. (Quelle: Business Culture Hackers)

Fazit & Ausblick

Culture Hacks greifen in bestehende Systeme ein, brechen Regeln und bringen Dinge an die Oberfläche, die bisher nicht sichtbar waren. Das Ergebnis lässt sich nur erhoffen, aber nicht planen. Zwischen Erfolg und Katastrophe ist die Trennlinie manchmal nur hauchdünn, wie manche der Beispiele zeigen. Das Spiel mit der Gefahr gehört jedoch essenziell zu einem Hack dazu. Risiko und Wirkung sind direkt korreliert, es gilt der Satz „Wer nichts wagt, der nichts gewinnt.“
Daher sollten Manager, aber auch Mitarbeiter durchaus zu drastischen Hacks greifen, wenn die gewünschte Veränderung anders nicht zu erreichen ist, Widerstände unüberwindbar scheinen oder Konflikte unter der Oberfläche brodeln und nicht benannt werden können oder dürfen. Am Ende wird die Organisation darauf reagieren und die Erstarrung überwunden sein - egal wie das Ergebnis letztendlich aussieht. „Es gibt beim Culture Hacking kein Scheitern“, sagt Torsten Scheller. „Selbst wenn der Hack nicht so funktioniert wie beabsichtigt, hinterlässt er Spuren und verändert das System.“
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