Es kommt eine digitale ID für jeden Deutschen

netID soll im Sommer die Beta verlassen

com! professional: Wann geht es denn nun los mit der netID?
Duhr: Wir gehen davon aus, dass wir im Sommer die netID in mehr als einer Betaversion haben werden.
com! professional: Noch dürfte es mit der Bekanntheit der Marke netID beim Nutzer nicht weit her sein. Sie müssen erst einmal ordentlich investieren, um sie bekannt zu machen.
Duhr: Natürlich müssen wir die netID erst einmal platzieren. Die klassische Markenbekanntmachung mit bezahlten Maßnahmen ist sicher wichtig, aber nicht allein entscheidend. Ich glaube, dass sich das Angebot von selbst verbreiten wird. Wenn die netID in den Angeboten von United Internet, RTL, Pro Sieben Sat1 sowie weiteren Partnern sichtbar ist, wird der Nutzer schlicht nicht um den klassischen „Eyeball- Effekt“ herumkommen. Am Ende werden das Produkt und die Reichweite der netID überzeugen.
com! professional: Der Internetnutzer ist, was das Wissen über Datenschutz angeht, nach wie vor recht unbedarft. Wie wollen Sie hier Aufklärung leisten?
Duhr: Das ist ein erzieherischer Prozess, dem wir uns aber definitiv verschrieben haben. Wir wollen mit der netID das Thema Datenhoheit erklären. Der Nutzer - und nicht nur der - ist in seiner Unbedarftheit in den vergangenen Jahren möglicherweise in die Falle des ein oder anderen US-Riesen getappt. Jetzt gilt es, Alternativen zur präsentieren, die verantwortungsvoll mit seinen Daten und Einwilligungen umgehen und
gleichzeitig Mehrwerte schaffen.
com! professional: Wenn es um Datenallianzen geht, werden neben Verimi oder Emetriq oft auch E-Commerce-Bündnisse wie Criteo genannt. Kann man das denn vergleichen?
Duhr: Da werden im Moment einige Dinge miteinander vermischt. Das Geschäfts modell der Intermediäre wird derzeit durchaus infrage gestellt. Unternehmen, die sich im Datentransfer-Bereich bewegen, versuchen natürlich auch, sich zusammenzuschließen und einheitliche Verfahrenslogiken zu entwickeln. Da ist etwa Criteo schon recht gut aufgestellt, wenn sie sich als Allianz auf der Seite der E-Commerce-Anbieter gegen Amazon positionieren. Denn mit der relativ großen Zahl an Shops kann man gemeinschaftlich das Beste aus dem Business-Modell herausholen. Auf lange Sicht bietet aber auch netID für Unternehmen wie Criteo alternative Möglichkeiten.
com! professional: Kommen wir zum Verhältnis Verimi und netID: Was ist hier an Kooperationen und Koalitionen geplant?
Duhr: Zusammenarbeit ist denkbar und sinnvoll, ein Zusammenschluss bei so unterschiedlichen Konzepten jedoch derzeit eher unwahrscheinlich. Wenn es aber darum geht, die netID auf LOA 3 und 4 zu bringen und „Verimi-fähig“ zu machen, kann es durchaus Ergänzungen und Kooperationen geben.
com! professional: Was bedeutet, die net ID sei „europäisch“?
Duhr: Dass sie sich an die europäische Gesetzgebung hält und die Daten, die entstehen, im Gesamtkonstrukt den europäischen Nutzungsraum nicht verlassen - außer der Nutzer stimmt explizit zu.
Log-in-Allianzen
netID: Im Juli 2017 wurde von Pro Sieben Sat1, der Mediengruppe RTL Deutschland sowie dem Vermarkter United Internet Media die Log-in-Allianz netID initiiert. Als erster Partner war Zalando an Bord. Ziel ist es, die Nutzung von Internetdiensten mit Hilfe eines Single Sign-on datenschutzkonform und transparent zu organisieren. Bereits vorhandene Log-ins von Mitgliedsunternehmen können für das Single Sign-on genutzt werden, eine separate Registrierung ist nicht nötig. Bei der Umsetzung entschied man sich für ein Stiftungsmodell. In diesem Sommer möchte die netID eine Version auf dem Markt haben, die den Usern Zutritt zu allen Seiten gewährt, die zum Kreis der Initiatoren zählen: von GMX.de bis TV Now.
Verimi: Verimi wurde im Mai 2017 gegründet. Zu den Gesellschaftern gehören Allianz, Axel Springer, Bundesdruckerei, Core, Daimler, Deutsche Bank, Postbank, Here Technologies, Deutsche Telekom, Giesecke + Devrient sowie Lu‚ hansa. Sie statteten Verimi mit über 50 Millionen Euro Startkapital aus. Einmal registriert, erhalten die Nutzer Zugang zu den Angeboten aller Website-Partner (Single Sign-on). Außerdem soll es möglich sein, personenbezogene Daten unterschiedlicher Dokumente wie Pass, Ausweis, Führerschein sicher zu hinterlegen. Zuletzt geriet Verimi in die Schlagzeilen, da die Spitzenmanagerin Donata Hopfen ausstieg.
Social Log-ins: Facebook, Google, Twitter oder Xing: Die sozialen Netzwerke bieten einen Service, den Allianzen wie Verimi oder netID ihren Usern erst mühsam vermitteln müssen: Über sie können sich die User über die hinterlegten Zugangsdaten auf anderen Seiten einloggen – ein neues, kompliziertes Anmeldungsprozedere entfällt. Nach Untersuchungen erhöht der Einsatz von Social-Log-ins die Anmeldungen. Allerdings bleibt bei den Usern o‚ auch das ungute Gefühl, nicht zu wissen, was mit ihren Daten geschieht.
Advertising ID & Digitrust: Das Advertising ID Consortium wurde im Mai 2017 von den amerikanischen Adtech-Unternehmen Appnexus, Mediamath und Liveramp gegründet. Seitdem haben sich insgesamt 15 Adtech-Anbieter der Initiative angeschlossen, unter anderem Adform, Dataxu und Unruly. Im Dezember ist das deutsche Unternehmen Roq.ad beigetreten. Ziel des Konsortiums ist es, dass alle Mitglieder nicht jeweils eigene Cookies, sondern eine gemeinsame Nutzer-ID des Konsortiums verwenden. So können User webseitenübergreifend besser zugeordnet und zielgerichteter umworben werden. Ganz ähnliche Ziele verfolgt Digitrust, ein Konsortium, das 2013 von zwanzig Werbetechnologie-Anbietern in den USA gegründet wurde – unter ihnen Pubmatic und Quantcast.
IAB Europe: Der „Industry Transparency & Consent Mechanism“ ist eine Lösung des Branchenverbands IAB Europe. Sie soll es Webseitenbetreibern sowie Werbungtreibenden und deren Partnern ermöglichen, das Opt-in des Nutzers entlang der Werbeauslieferungskette zu übermitteln, damit alle beteiligten Technologieanbieter rechtlich auf der sicheren Seite sind. IAB Europe hat die Lösung gemeinsam mit Werbetechnologie-Anbietern entwickelt. Sie basiert auf vier Säulen: einem User Interface (UI), einer Liste der Technologieanbieter, einem technischen Kommunikationsstandard und den Regeln, wie der Standard
genutzt werden soll. Das User Interface wird nicht zentral vorgeschrieben. Über das UI kann der Nutzer seine Zustimmung zur Datennutzung abgeben.
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