Die E-Privacy-Verordnung bedroht das Targeting

Cookies als Ausnahmen

von - 25.07.2018
Grund für den Pessimismus des Rechtsanwalts ist die harte Haltung der EU gegenüber Third-Party-Cookies. Das sind Cookies, die nicht vom Website- Betreiber selbst gesetzt werden (First-Party-Cookies), sondern von Dritten. Diese Cookies, so argumentiert der BVDW, sind unverzichtbar für essenzielle Dinge im kommerziellen Internet, zum Beispiel die Reichweitenmessung der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF). Sie sind aber auch ein Grundpfeiler für personalisierte Werbung und ein wichtiger Baustein für die Erstellung von Nutzerprofilen.
Nach Vorstellungen der EU soll das Setzen jedweder Cookies (sowohl First als auch Third) in Zukunft nur noch dann erlaubt sein, wenn der Nutzer zuvor explizit zugestimmt hat. Ausnahmen soll es lediglich dann geben, wenn das Cookie zur Ausführung eines Dienstes zwingend erforderlich ist, den der Nutzer zuvor angefordert hat, etwa für die Warenkorb-Funktion.
Das heißt, Website-Betreiber werden deshalb auch weiterhin Statistiken über die Nutzung ihres Online-Angebots erstellen dürfen, ansonsten sind keine weiteren Ausnahmen vorgesehen.

Viel Arbeit für Ad-Dienstleister

Sicher ist jedenfalls: Nach der Mammutaufgabe DSGVO kommt auf viele Mitspieler der Internetwirtschaft wieder jede Menge Arbeit zu. Ein Beispiel dafür ist Guillaume Marcerou. Der Franzose ist Global Privacy Director bei Criteo, einem Spezialisten für das Ausspielen personenbezogener Werbung: „Das Privacy-Team ist Teil der Produktentwicklung“, berichtet Marcerou.„Jede neue Maßnahme, die wir in den vergangenen zwei Jahren umgesetzt haben, hatte die DSGVO und die Privacy-Verordnung im Hintergrund.“
Criteo ist ein typischer Vertreter einer Industrie, die davon abhängt, dass ihre Partner, die Website-Publisher, die ePVVorgaben umsetzen. Man habe keine Kontrolle darüber, wie die Partner die Daten erheben, deshalb müsse man sie für E-Privacy sensibilisieren.
Eine grundsätzliche, radikale Abkehr von personalisierter Werbung sieht man bei Criteo nicht: „In den meisten Fällen akzeptieren die User digitale Werbung.“
Christian Bennefeld ist da etwas anderer Ansicht. Der Gründer und Gesellschafter der Webanalyse-Firma eTracker hat sich vor einigen Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und ein neues Produkt auf den Markt gebracht: eBlocker. Während eTracker seinen Anwendern ein mächtiges Tool an die Hand gibt, um die Aktionen und Intentionen der Nutzer auf ihrer Website zu analysieren, tut eBlocker
scheinbar das genaue Gegenteil – die Hardware erkennt, wenn eine Website externe Tracking-Dienste aufruft, und unterbindet dies – inklusive der auf diese Weise personalisiert ausgespielten Werbung: Retargeting ade.
 Christian Bennefeld
Christian Bennefeld
Gründer und Geschäftsführer von eBlocker
www.eblocker.de
"Die Wildwestmethoden des Datensammelns sind vorbei."
Für Christian Bennefeld ist das kein Widerspruch zu seinem früheren Job bei eTracker. „Targeting wird auch weiterhin möglich sein. Doch von der Art und Weise, wie heute manche Third-Party-Dienste ihre Daten sammeln – nämlich erst einmal alles abgreifen, was möglich ist, und dann den Nutzer mit personalisierter Werbung bewerfen –, werden wir uns verabschieden müssen.“ Christian Bennefeld verweist insbesondere darauf, dass der ePV-Entwurf, der derzeit in der Diskussion ist, nicht nur eine Einwilligung des Nutzers zur Datenspeicherung vorsieht, sondern sogar eine differenzierte Einwilligung, für welche Dienste er seine Daten zur Verfügung stellen will und für welche nicht.
Wie das Ganze in der Praxis handhabbar gestaltet werden soll, steht noch nicht fest. Nach dem Willen der EU soll zukünftig der Webbrowser eine wichtige Funktion bei der Erfassung von Nutzerwünschen haben: In den Voreinstellungen könnten Nutzer vorgeben, welche Art von Datenerfassung und -weitergabe sie akzeptieren.
Für BVDW-Justiziar Neuber ist das keine gute Lösung, denn sie würde letztlich dazu führen, dass Nutzer Third-Party-Cookies entweder generell an- oder abschalten – und im letzteren Fall nur noch ein sehr schmales Angebot an kostenfreien Webangeboten vorfänden.
Personalisiert ausgespielte Werbung mit einem Tracking, das das Einverständnis des Nutzers voraussetzt, wird schwieriger werden. Für eBlocker-Chef Bennefeld könnte dies eine Renaissance der Umfeld-Werbung bedeuten. Man bespielt einen Nutzer nicht mehr überall dort, wo man ihn kriegt, sondern
nur noch dort, wo man ihn aufgrund des thematischen Umfelds vermutet.
Für Alexander Gösswein, DACH-Chef von Criteo, eine furchtbare Vorstellung: „Das würde uns ja in die Steinzeit der Online-Werbung zurückwerfen, mit riesigen Streuverlusten und all diesen Dingen.“
Alexander Gösswein
Alexander Gösswein
DACH-Chef von Criteo
www.criteo.com/de
Foto: Criteo
"Das würde uns in die Steinzeit der Online-Werbung zurückwerfen, mit riesigem Streuverlust."
Sollten die schlimmsten Befürchtungen der Branche Wirklichkeit werden und die EU hohe Hürden für jede Form der Erfassung personenbezogener Surfdaten einführen, könnte das vor allem denen nützen, die sich die Erlaubnis dazu in ellenlangen, von kaum einem Verbraucher je gelesenen Einwilligungserklärungen haben geben lassen: Plattformen wie Google, Facebook, Apple und Amazon haben sich von ihren Nutzern weitreichende Befugnisse einräumen lassen, die ihnen ein extrem genaues Targeting erlauben – inklusive der passenden Werbebespielung. Solche Single-Sign-on-Plattformen werden jetzt auch in Europa geplant, die deutsche Lösung Verimi ist gerade gestartet. Ob sie den Wettbewerbsvorsprung von Facebook aufholen kann, ist fraglich.
E-Privacy - darum geht's
Worum es geht: Die E-Privacy-Verordnung (ePV) regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten und Nutzerprofilen in der elektronischen Kommunikation. Sie soll die 2002 erlassene Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) ersetzen, die 2009 durch die sogenannte Cookie-Richtlinie ergänzt wurde.
Zentrale Punkte: Die ePV soll alle Website-Betreiber, die personenbezogene Daten ihrer Besucher erfassen, dazu verpflichten, diese Nutzer vorab über Sinn und Zweck der Datensammlung zu informieren und ihre Zustimmung einzuholen. Die Erfassung von Nutzeraktionen ohne eine solche Einwilligung soll nur noch in wenigen Ausnahmefällen möglich sein.
Inkra treten: Die ePV ist keine Richtlinie mehr, sondern eine EU-Verordnung. Das bedeutet, dass sie nach Inkrafttreten unmittelbar gültiges Recht innerhalb der EU ist. Die EU-Mitglieder müssen ihre Gesetze entsprechend anpassen. Ursprünglich sollte die ePV gemeinsam mit der DSGVO im Mai 2018 wirksam werden. Dieser Termin wurde verpasst. Nach derzeitigem Stand könnte die ePV Ende 2018 vom EU-Parlament verabschiedet werden und 2019 in Kraft treten. Vermutlich würde dann eine zweijährige Übergangsfrist greifen, sodass die in der ePV festgelegten Regeln ab 2021 zwingend befolgt werden müssen.
Verwandte Themen