Vom Kistenschieber zum Cloud-Service-Provider

Systemhäuser mit Cloud-Kompetenz haben die Nase vorn

von - 01.12.2017
Lynn-Kristin Thorenz, Associate Vice President Research & Consulting Germany & Switzerland bei IDC, erklärt im Interview, warum Systemhäuser, die früh in die Cloud investiert haben, schneller wachsen – und wie sie sich vom Wettbewerb differenzieren.
com! professional: Frau Thorenz, für Systemhäuser bietet der Vertrieb von Cloud-Lösungen einen Weg, um neue Umsätze zu generieren. Doch der Einstieg in die Rolle als Service-Provider fällt vielen schwer. Warum?
Lynn-Kristin Thorenz
Associate Vice President Research & Consulting Germany & Switzerland bei IDC
(Quelle: IDC )
Lynn-Kristin Thorenz:
Systemhäuser hatten in den letzten Jahren volle Auftragsbücher. Der Druck, sich verändern zu müssen, war daher noch nicht so groß. Das ändert sich aber gerade beziehungsweise hat sich bereits geändert. On-Premise ist kein Wachstumsmarkt mehr. Reine Boxenschieber, also Systemhäuser, die auf den Verkauf und die Implementierung von Hardware und Software setzen, werden langfristig Probleme bekommen.
com! professional: Welchen Kurs müssen sie einschlagen?
Thorenz: Sie sollten ihr Geschäftsmodell ändern beziehungsweise erweitern und auf die Cloud setzen. Der IT-Markt wächst in den Bereichen Cloud, IoT und Mobility jährlich zweistellig bis zu 20 Prozent, der sonstige IT-Markt mit dem klassischen Kerngeschäft der Systemhäuser je nach Segment 2 bis 3 Prozent, einige Märkte schrumpfen auch bereits massiv. In all diesen Wachstumsfeldern ist die Cloud als Sourcing-
Modell notwendig. Zudem stehen die nächsten Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, Next Gen Security oder Robo­tics, die auf Cloud-Services basieren, bereits vor der Tür.
com! professional: Das klingt plausibel. Doch ein Geschäfts­modell lässt sich nicht einfach von heute auf morgen komplett verändern.
Thorenz: Natürlich ist ein neues Geschäftsmodell mit einer Lern- und Investitionsphase verbunden. Es geht hier um nichts anderes als die digitale Transformation der Systemhäuser. Das ist ein „klassisches“ Change-Projekt mit mehreren Dimen­sionen.
com! professional: Welche Herausforderungen oder Dimensionen müssen die Systemhäuser meistern?
Thorenz: Ein neues Geschäftsmodell ist ja auch mit einem kulturellen Wandel verbunden. Die Geschäftsführung muss daher eine Strategie und Vision entwickeln, die Mitarbeiter mitnehmen und Vorbild für Kunden und Mitarbeiter sein.
Natürlich sollte das Systemhaus auch selbst auf die Cloud setzen, um die Kunden von der Cloud zu überzeugen. Dann geht es darum, die Cloud-Skills ins Unternehmen zu holen, die Mitarbeiter etwa zum neuen Vertriebsmodell zu schulen und die interne IT auf Cloud-Technologien, agile Entwicklung und DevOps umzustellen.
com! professional: Inwieweit lohnt sich der hohe Aufwand?
Thorenz: Die Transformation lohnt sich auf jeden Fall. Wir stellen bereits jetzt fest, dass Partner beziehungsweise Systemhäuser, die früh in die Cloud investiert haben, die Nase vorn haben. Sie wachsen doppelt so schnell wie ihre Mitbewerber und arbeiten profitabler mit höheren Gewinnmargen. Je früher die Systemhäuser auf den Cloud-Zug aufspringen, desto besser. Sie dürfen hier die Lern- und Investitionsphase nicht vergessen. Vor allem die großen Systemhäuser haben einen Vorsprung. Wir werden in den nächsten drei bis fünf Jahren einen Umbruch in der deutschen Systemhaus-Landschaft erleben, denke ich.
Die Kunden treiben den Markt. 65 Prozent der Firmen sind offen für einen Partnerwechsel, wenn ihr bisheriges Systemhaus kein Cloud-Spezialist ist, sie aber Cloud-Expertise benötigen. Die Cloud stellt damit auch langfristige Lieferantenbeziehungen infrage. Das sollte jeden in der Branche wachrütteln, bietet aber auch neue Chancen.
com! professional: Wenn sich das Gros der Systemhäuser zum Cloud-Provider gewandelt hat – wie können sie sich von ihren Mitbewerbern differenzieren?
Thorenz: Ganz klar durch Spezialisierung. Das kann der Fokus auf eine spezielle Branche sein, die Konzentration auf bestimmte Funktionen und Prozesse etwa in Marketing, HR oder Vertrieb, die in allen Branchen gelten, oder auch die Spezialisierung auf eine Cloud-Ausprägung wie IaaS, SaaS, PaaS, Storage as a Service oder Security as a Service. Oder Systemhäuser entwickeln eine eigene Software auf Cloud-Basis. Wir stellen auch fest, dass Firmen, die sich spezialisiert haben, kaum im Wettbewerb stehen, sondern eher ein Alleinstellungsmerkmal haben. Dadurch sind höhere Margen möglich.
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