Die Cloud-Hyperscaler AWS, Microsoft und Google

Heimvorteil für Microsoft

von - 19.09.2017
Kein Cloud-Provider hat eine derart große in­stallierte Basis in den Unternehmen wie der Software-Hersteller aus Redmond. „Microsoft hat den Vorteil, dass viele Unternehmen seit Jahrzehnten seine Produkte nutzen. Das macht die Adoption natürlich einfacher“, sagt Donald Badoux, Managing Director beim Colocation-Anbieter Equinix Germany GmbH, „zudem können Kunden, die Microsoft bereits nutzen, über Enterprise Agreements von preislichen Vorteilen profitieren.“ Azure sei deshalb perfekt für Kunden, die Microsoft-basierte Workflows in der Cloud abbilden wollten und bereits viele
Microsoft-Applikationen im Einsatz hätten.
Constantin Gonzalez
Constantin Gonzales
Principal Solutions Architect bei Amazon Web Services Germany
http://aws.amazon.com/de
Foto: AWS
„Momentan sehen wir weiterhin einen hohen Bedarf für Big-Data- und IoT-Anwendungen“
Jörn Steege von Axians findet, dass Microsoft seinen Heimvorteil durchaus geschickt nutzt und klug Software und Cloud-Dienste kombiniert. „Für viele Kunden ist Office 365 auch der Einstieg in die Azure-Welt.“ Durch die positiven Erfahrungen auf der Software-as-a-Service-Ebene (SaaS) sei man in der Folge dann eher geneigt, auch Infrastruktur- oder Plattformdiensten (IaaS, PaaS) eine Chance zu geben. „Hier ist die Einstiegshürde bei AWS sicher höher.“
Die lange Historie als Software-Unternehmen ist aber nicht nur ein Vorteil. Der Vertrieb, vor allem aber auch die Partner, sehen sich oft noch als Lösungsanbieter und können dem Verkauf von Cloud-Services wenig abgewinnen. Dem will Microsoft mit einer Neuorientierung der Vertriebsmannschaft entgegenwirken, die laut Velten derzeit von den USA aus weltweit durchgesetzt werden soll. „Der Vertrieb soll stärker an Plattformen, Architekturen und Technologien ausgerichtet werden.“ Das sei ein Eingeständnis, so Velten, dass selbst für Microsoft-Mitarbeiter die Azure-Plattform zu komplex ist. „Der Vertrieb hat es häufig nicht geschafft, neue Projekte und Lösungen in Architekturen auf Azure zu übersetzen.“ Die Frage „Wie mache ich das in der Cloud?“ sei deshalb häufig unbeantwortet geblieben. „Diese Lücke versucht Microsoft nun zu schließen.“
Die eigenen Vertriebsmitarbeiter vom Software-Verkauf wegzubringen und auf die Cloud einzuschwören, ist dabei noch die geringste Aufgabe. Wesentlich schwerer tut sich das Unternehmen, sein riesiges Partnernetz mit ins Cloud-Zeitalter zu nehmen. „Microsoft hat hier in der Vergangenheit auch viele Fehler gemacht“, sagt Velten. Mit dem Start der Business Productivity Online Suite (BPOS) und von Office 365 hätten Partner den Eindruck bekommen, Microsoft wolle in Zukunft alles direkt vermarkten. „Viele Partner haben sich alleingelassen gefühlt.“ Zwar habe sich mittlerweile vieles verbessert, es laufe aber immer noch nicht optimal. „Wie AWS braucht auch Microsoft intern und bei den Partnern mehr gute Leute.“ Anders als bei AWS und Google fehle außerdem der Zugang zu jungen Talenten an den Universitäten. „Microsoft muss dafür sorgen, dass an den Hochschulen mehr auf Azure entwickelt wird.“
Zwiespältig wird Microsofts Schachzug gesehen, mit der Cloud Deutschland in der Treuhänderschaft von T-Systems die Daten deutscher Kunden zuverlässig dem Zugriff von NSA und Heimatschutz zu entziehen. „Eine solche Abschottung vor Zugriffen hat für manche Kunden einen positiven Aspekt, ist aber durch die fehlende nahtlose weltweite Integration für andere eher abschreckend“, sagt Steege, „AWS hat hier mit seinen Rechenzentren in Frankfurt einen klaren Vorteil.“
Crisp-Analyst Velten sieht das ähnlich: „Die Microsoft Cloud Deutschland ist perfekt für Branchen mit hohen Compliance-Anforderungen, etwa für den öffentlichen Sektor oder das Gesundheitswesen, der klassische Mittelstand ist aber eher international aktiv.“
Mit Azure Stack bietet Microsoft seit Kurzem die Möglichkeit, eine Azure-Umgebung im eigenen Rechenzentrum zu betreiben. „Wenn es Microsoft wirklich gelingt, damit hybride Cloud-Szenarien auf Azure-Basis in den Markt zu bringen, ist das eine Riesenchance“, sagt Carlo Velten.
In solchen Szenarien sieht auch der Anbieter selbst eine seiner größten Stärken: „Microsofts Cloud-Plattform zeichnet sich durch die starke Integration von hybriden Betriebsmodellen aus“, erklärt Azure Business Lead Germany Thilo Ewald. Ihm zufolge will Microsoft in Zukunft neben den Angeboten in den Bereichen IoT und KI vor allem auch den Azure Marketplace ausbauen, der jetzt schon über 4.000 Partnerlösungen umfasst.
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