Standards für die Cloud

Der Cloud fehlt es an Transparenz

von - 11.07.2017
Cloud
Foto: Shutterstock / toozdesign
Echte Cloud-Standards gibt es nicht, vielmehr dominieren De-facto-Standards den Markt. Diese fehlende Transparenz sorgt für Unsicherheit bei Unternehmen.
Cloud-Umsätze
Weltweite Cloud-Umsätze: Der Shopping-Riese Amazon dominiert mit seinen AWS-Services den weltweiten IaaS- und PaaS-Markt.
(Quelle: Synergy Research Group, 3. Quartal 2016 )
An der Cloud führt kein Weg vorbei, sie ist ein essenzieller Treiber der digitalen Transformation. Das spiegelt sich einmal mehr im aktuellen „Cloud-Monitor 2017“ von KPMG wider, wonach bereits zwei von drei Unternehmen in Deutschland Cloud-Dienste im Einsatz haben.
Viele Unternehmen haben einen großen Teil ihrer IT-Infrastruktur in die Cloud gehievt und freuen sich, dass ihre Kosten meist sinken und ihre Infrastruktur je nach Anforderung skalierbar ist.
Was aber, wenn ein Unternehmen, aus welchen Gründen auch immer, seine Daten und Anwendungen ins eigene Rechenzentrum zurückholen möchte? Oder wenn man den Cloud-Anbieter wechseln will, weil ein anderer günstiger ist? Ein weiteres Szenario: Das Unternehmen plant die gleichzeitige Nutzung mehrerer Dienste – beim Anbieter A sollen Daten verarbeitet und dann in der Cloud des Anbieters B weiterverarbeitet werden.
KPMG
Quelle: KPMG, Cloud-Monitor 2017
Das Fehlen von Standards ist die Achillesferse der Cloud. Jeder Cloud-Anbieter kocht sein eigenes Süppchen und verwendet eigene Technologien. Aus Sicht eines Cloud-Anbieters sind proprietäre Dienste selbstverständlich alles andere als ein Nachteil: Sie sorgen, Stichwort Vendor-Lock-in, immerhin für eine gewisse Treue seitens der Kunden. Je pro­prietärer ein Dienst ist, desto schwerer tut sich der Kunde mit einem Wechsel, und er bleibt dann letztendlich vielleicht doch länger als beabsichtigt – sei es aus Bequemlichkeit oder technischer Notwendigkeit.

Cloud ohne Standards

Echte Standards für die Cloud sucht man vergeblich. Vielmehr sind es die großen Cloud-Anbieter und Open-Source-Plattformen, die versuchen, De-facto-Standards zu schaffen, die sich im Lauf der Zeit zu anerkannten Standards entwickeln sollen.
Zur Frage, warum es keine echten Standards für die Cloud gibt, erklärt Rudolf Hotter, Vorstand des IT-Dienstleisters Cancom: „Das liegt daran, dass die Cloud-Anbieter sehr wettbewerbsorientiert agieren und versuchen, ihre eigenen Werkzeuge und Dienste zum Standard zu machen beziehungsweise sich mit Nichtkonformität bewusst vom Wettbewerb abzugrenzen.“ Eine Standardisierung werde so oftmals verhindert. Kunden wollen seiner Erfahrung nach meist eine Kombination von Diensten unterschiedlicher Anbieter und stellen dann fest, dass eine bestimmte Programmierschnittstelle (API) oder ein bestimmter Dienst eines Anbieters am besten funktioniert, und fordern das dann bei den anderen Anbietern auch ein. „Es gibt keine offiziellen Standards, es gibt Hersteller und deren Produkte, die sich selbst zum Standard erklärt oder das versucht haben“, fasst Rudolf Hotter die aktuelle Situation zusammen.
Nach Meinung von Olaf Reimann, Sprecher des ICT-Service-Providers Operational Services, einem Joint-Venture zwischen dem Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport und T-Systems, wäre die Einführung von Standards auch gar nicht so einfach: „Die Vielfalt der Cloud-Anbieter und die dadurch bedingte Dynamik im Markt schließt eine durchgängige Standardisierung fast aus, da jeder seine eigenen Lösungen vorantreibt und sie als ,Quasi-Standard‘ etablieren möchte.“ Es stelle sich die Frage, ob es überhaupt einen Standard geben müsse, „denn dieser raubt dem Thema möglicherweise die Dynamik und die Agilität, die die digitale Transformation eigentlich vorantreiben.“
Olaf Reimann
Pressesprecher des ICT-Service-Providers Operational Services
www.operational-services.de
Foto: Operational Services
„Auch wenn einige große Anbieter den Cloud-Markt dominieren, gibt es keinen echten Standard.“
Zudem ist das Fehlen von Standards kein cloudspezifisches Problem – „Unternehmen standen schon immer in einer gewissen Abhängigkeit zu Plattformen oder Herstellern, was sich auch in der Cloud nicht vollständig ändern wird“, so die Einschätzung von Roland König, Geschäftsführer beim Bechtle IT-Systemhaus München sowie Leiter des Geschäftsfelds Virtualisierung. „Einerseits entwickelt sich der Cloud-Markt erst jetzt so richtig in die Breite, andererseits spielt hier die Absicherung von Marktanteilen eine Rolle. In vielen Bereichen etablieren sich langsam Standards, aber das wird mit Sicherheit noch etwas dauern.“
Roland König sieht in Quasi-Standards auch Vorteile: „Natürlich setzen die großen Anbieter eigene Standards und über die Marktdurchdringung werden diese eben zu De-facto-Standards. Innerhalb der einzelnen Technologien und Plattformen können die Kunden aber wählen, von wem sie welchen Service beziehen.“ Als Beispiel nennt er die Partnernetzwerke von VMware oder Microsoft: Hier bauen Hoster und Partner Dienste auf der jeweiligen Architektur, die dann für diesen Bereich zum De-facto-Standard wird.
Olaf Reimann fasst die derzeitige Lage so zusammen: „Auch wenn einige große Anbieter den Cloud-Markt dominieren, gibt es keinen echten Standard.“
Vor allem zwei Technologien haben sich im weltweiten Cloud-Markt durchgesetzt: Branchenriese Amazon mit seinen Amazon Web Services sowie das Open-Source-Projekt OpenStack. Laut der Studie „The State of Cloud Platform Standard, Q4 2016“ der Marktanalysten von Forrester Research sind sowohl Amazon als auch OpenStack „safe bets“ – also eine sichere Sache, bei der Unternehmen wenig falsch machen können.
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