80% der Cloud-Dienste sind nicht standardisiert

Ist Cloud-native pauschal die bessere Wahl?

von - 13.04.2017
com! professional: Ist es denn immer besser, eine Applikation Cloud-native zu entwickeln?
Kratzke: Das kann man in meinen Augen nicht pauschal beantworten. In dem Moment, wo ich Dienste anbieten will, die Hunderttausende oder gar Millionen von Kunden adressieren, ist es sicher sinnvoll, die Systeme von vornherein auf eine hohe horizontale Skalierbarkeit hin zu entwickeln. Habe ich eine überschaubare, definierte Nutzerzahl – wie bei unserem E-Learning-System an der Hochschule Lübeck –, dann lässt sich das sehr gut auch mit einer klassischen Software-Architektur abbilden. Sicher schadet auch in so einem Fall die Flexibilität und Skalierbarkeit einer Cloud-nativen Applikation nicht, vermutlich würde man sie aber nie nutzen. Der Fall läge vollkommen anders, wenn man das System perspektivisch als Dienst für alle deutschen Hochschulen bereitstellen wollen würde, dann reden wir von Millionen Nutzern.
com! professional: Wie sieht es mit den Kosten aus? Ist es nicht günstiger, eine Applikation in der Cloud zu betreiben?
Kratzke: Nicht unbedingt. Prognosen für Cloud-Kosten sind schwierig und ein Kapitel für sich. Als „Daumenregel“ gilt: Applikationen in der Cloud sind aus Kostensicht immer dann sinnvoll, wenn die Zugriffszahlen kaum vorhersehbar sind oder in eng begrenzten Zeiträumen sehr hohe Spitzenlasten auftreten. Bei relativ statischen Workloads und geringen Skalierungserfordernissen ist es meist günstiger, die Infrastruktur im eigenen Haus zu betreiben. Das ist aber wie gesagt eine Daumenregel: Da sollte man jeden Fall einzeln betrachten.
com! professional: Cloud-native ist also nicht in jedem Fall die sinnvollste Strategie?
Kratzke: Wenn man Applikationen grundsätzlich nach den Cloud-nativen Prinzipien konzipiert, macht man vermutlich nichts falsch. Man muss sich allerdings auch mehr Gedanken bei der Entwicklung machen und hat unter Umständen viele Aufwände, die im normalen, überschaubaren Betrieb womöglich kaum etwas bringen. Hier ist es wichtig zu wissen, welche Perspektiven man mit einem System verfolgt. Es ist in etwa so, als wenn man jeden Mittelkasse-Pkw für die Höchstgeschwindigkeit eines Formel-1-Rennwagens konzipieren würde. Es schadet nicht, aber der zusätzliche Engineering-Aufwand wäre für den Fahralltag vermutlich unerheblich.
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