Zu wenig Frauen in der IT

Im Gespräch mit Lucia Falkenberg von eco

von - 17.11.2020
Lucia Falkenberg
Lucia Falkenberg: Chief People Officer und Kompetenzgruppenleiterin New Work beim eco - Verband der Internetwirtschaft
(Quelle: eco )
In Deutschland arbeiten im IT-Bereich nur knapp 17 Prozent Frauen - für Lucia Falkenberg, Chief People Officer und Kompetenzgruppenleiterin New Work beim eco-Verband, ist das kaum nachzuvollziehen: Sie hält die IT für krisen- und zukunftssicher. Und durch den hohen Digitalisierungsgrad biete die Branche Frauen sehr gute Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Privatleben. Im Interview erklärt sie, wie man mehr Frauen für die IT begeistern kann.
com! professional: Frau Falkenberg, wenn man sich die großen IT-Konzerne ansieht - Apple, Facebook, Google, Microsoft - sie alle wurden von Männern gegründet. Warum tun sich Frauen so schwer, in der IT-Branche Fuß zu fassen? Ist die Branche schlicht zu männlich geprägt?
Lucia Falkenberg: Da ist etwas dran. Beim IT-Manager haben die meisten immer noch einen Mann vor Augen. Deshalb ist es so wichtig, erfolgreiche Frauen und solche, die es werden wollen, sichtbar zu machen, sie in Tech-Initiativen wie unserem Netzwerk „LiT - Ladies in Tech“ zu vernetzen und ihnen Gesicht und Stimme zu verleihen, damit sie wiederum andere inspirieren und ermutigen, diese spannende Branche für sich zu entdecken.
com! professional: Frauen wird ja häufig vorgeworfen, dass sie unter anderem nicht selbstbewusst genug auftreten. Wie sehen Sie das?
Falkenberg: Jede Frau sollte so sein, wie sie sein möchte, und nicht so, wie andere es von ihr erwarten oder nicht erwarten. Das gilt auch für das Thema Selbstbewusstsein. Und natürlich kommt es darauf an, wie Sie Selbstbewusstsein definieren.
com! professional: Bei erfolgreichen Männern denkt man ganz klischeehaft an ein Alphatier …
Falkenberg: Meiner Erfahrung nach müssen sich Frauen heute nicht mehr angleichen und mit markigen Sprüchen das Alphamännchen nachahmen. Frauen überzeugen mit ihren eigenen Stärken. Ob das jetzt die vermeintlich weiblichen Talente wie Kommunikationsfähigkeit und Empathie sind oder eher Durchsetzungsfähigkeit und analytisches Denken - das ist von Frau zu Frau verschieden. In der Regel macht es die gesunde Mischung. Das gilt für erfolgreiche Männer im Übrigen genauso.
com! professional: Gibt es neben Empathie und Kommunikationsfähigkeit weitere Eigenschaften, mit der man als Frau in der männerdominierten IT-Branche punkten kann?
Falkenberg: Neugierde und Offenheit gegenüber den Möglichkeiten von Technologien, gepaart mit Kommunikationsstärke und Lösungsorientierung. Zuversicht und Beharrlichkeit schaden sicherlich auch nicht.
com! professional: Warum ist es überhaupt so wichtig, dass der Frauenanteil in der IT steigt?
Falkenberg: Kurt Tucholsky sagte bereits vor knapp 100 Jahren: „Es gibt keinen Erfolg ohne Frauen“. Um langfristig international wettbewerbsfähig zu bleiben, sind Unternehmen mehr denn je darauf angewiesen, innovative Lösungen zu finden und neue Antworten auf die Herausforderungen in einer sich rasch verändernden Welt zu entwickeln.
com! professional: Und welche konkreten Vorteile bringen gemischte Teams einem Unternehmen?
Falkenberg: Unterschiedliche Perspektiven und Sichtweisen bilden den perfekten Nährboden für neue Ideen. Deshalb ist Vielfalt so wichtig und die Stärken und die Talente der Ladies in Tech ergeben in Kombination mit denen der männlichen Kollegen ein rundes Bild und schaffen innovative und schlagkräftige Teams.
com! professional: Wie schafft man es Ihrer Meinung nach, mehr Frauen für die sogenannten MINT-Berufe zu begeistern?
Falkenberg: Ganz klar sind die Unternehmen gefragt, die Rahmenbedingungen für Frauen weiter zu verbessern, etwa für gerechte Entlohnung zu sorgen und weibliche Karrierewege zu fördern - auch auf Vorstandsebene. Letztendlich ist es aber eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, dass alle auch nach Gründung einer Familie die gleichen Karrierechancen haben und Verantwortlichkeiten gerecht aufgeteilt werden. 
com! professional: Was meinen Sie, wie lange wird es noch dauern, bis die IT-Branche wirklich „equal“ ist?
Falkenberg: Pessimisten gehen von rund 100 Jahren aus.
com! professional: Das klingt nach einem noch langen Weg …
Falkenberg: Ich bin von Natur aus optimistisch, muss aber trotzdem zugeben, dass wir noch eine lange Strecke vor uns haben. Noch immer finden viele Mädchen den „Boys Club“ der IT wenig anziehend und entscheiden sich viel zu häufig gegen ein MINT-Studium, obwohl die Tech-Branche als Motor künftigen Wachstums großartige Karriereoptionen bietet.
Aber man muss nicht zwingend Informatik studiert haben, um hier erfolgreich zu sein. Bereits jetzt gibt es kaum noch ein Berufsbild, das sich nicht im Zuge der Digitalisierung verändert hat. Auch in juristischen, kaufmännischen oder administrativen Bereichen der IT-Unternehmen sind qualifizierte Frauen mehr als willkommen.
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