Zu wenig Frauen in der IT

IT-Interesse wecken

von - 17.11.2020
MINT-Studienfänger in Deutschland
Kaum Veränderung: Das Gros der Studierenden in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sind immer noch Männer.
(Quelle: Statista, Statistisches Bundesamt )
Dennoch tun sich viele Frauen mit technischen Berufen noch immer schwer. „Sicher ist die männliche Prägung eine Ursache, denn damit fehlen natürlich auch die weiblichen Role Models beziehungsweise sie sind schwerer zu finden“, erklärt Christine Regitz von der Gesellschaft für Informatik. Hinzu komme, dass es sich bei vielen IT-Produkten um wenig greifbare Dinge handele. Damit sei es von außen gesehen schwierig zu verstehen, wie das Aufgabenspektrum aussehe und welche konkreten Kompetenzen in diesem Bereich wirklich gebraucht würden.
Nina Brandau vom Bitkom ergänzt, es sei von großer Bedeutung, dass Mädchen und junge Frauen schon vor der Berufswahl für IT-Themen und Technik begeistert werden. „Dies würde zum Beispiel gelingen, wenn Informatik für alle Schülerinnen und Schüler Pflichtfach wäre.“
Auch wenn bei Frauen ein Interesse für das Thema vorhanden ist - in der Männderdomäne IT mit ihren „Nerds“ fühlen sich Frauen häufig genug einfach nicht wohl. „Das Image des Informatikers, der im stillen Kämmerlein programmiert, muss hinterfragt und überwunden werden“, so die unmissverständliche Forderung von Nina Brandau. Ihr zufolge zeigen Studien zudem immer wieder, dass Frauen ihre eigene Leistung unterschätzen, „während Männer zur Überschätzung neigen“.
Das macht es für Frauen in einer männerdominierten Branche natürlich nicht unbedingt leichter. Brandau sieht hier die Unternehmen in der Pflicht: „HR-Abteilungen sollten diesen Fakt vor Augen haben und in ihre Personalentscheidungen einbeziehen.“
Corinna Vehlow
Corinna Vehlow
Senior IT-Consultant bei adesso
www.adesso.de
Foto: adesso
„Ich denke, wirklich ‚equal‘ im Sinn von 50 Prozent Frauenanteil wird die IT-Branche wohl nie werden.“
Corinna Vehlow, Senior IT-Consultant bei adesso, meint, dass nach wie vor einfach viel weniger Frauen überhaupt ein Interesse an der Domäne IT hätten. Sie ist sich sicher, wenn das Interesse da sei, dann sei es einem egal, ob man in einem männer- oder frauendominierten Bereich arbeite. Und sie betont: „Mich selbst hat es nie gestört, überwiegend mit Männern zusammenzuarbeiten.“
Was die Führungspositionen angeht, ist es ihrer Ansicht nach jedoch nach wie vor für Frauen schwieriger, in diese zu kommen, „aber sicher nicht unmöglich, was einzelne Gegenbeispiele ja auch immer wieder zeigen“.

Der lange Weg zum „Equal“

Doch wann wird die IT-Branche endlich „equal“ sein, also 50:50 in den entsprechenden Studiengängen und in den Unternehmen? Das ist für Christine Regitz schwierig zu beantworten, „denn wir kriegen ja nicht auf Knopfdruck die Frauen ausgebildet oder eingestellt.“ Ihr zufolge ist das eher eine Frage von Generationen. Daher ihr klares Statement: „Wenn wir nicht schnellstmöglich die Bildung in den MINT-Fächern verstärken, innovativ gestalten und systematisch die Mädchen fördern und begleiten, dann wird es in Deutschland sehr schwer werden, das jemals zu schaffen.“
Christine Regitz sieht es ähnlich wie Nina Brandau vom Bitkom: „Informatik als Fach ab der ersten Klasse.“ Darüber hinaus müsste man es besser schaffen, Berufsbilder und Karrieremöglichkeiten in der IT für Frauen greifbarer zu machen. Es sei nicht transparent, welche unterschiedlichen Kompetenzen in der Branche gefragt sind, wie vielfältig die Aufgabengebiete sind und dass man nicht zwingend Informatik oder Mathematik studiert haben muss - „sondern auch über viele andere Ausbildungswege sehr erfolgreich in der IT sein kann“.
Milena Sprysz
Milena Sprysz
Consultant bei adesso
www.adesso.de
Foto: adesso
„In meinem IT-Bachelor- und -Masterstudium lag die Frauen-Männer-Quote bereits bei 50:50.“
Milena Sprysz von adesso gibt zu bedenken, dass vielfach auch entsprechende konkrete Diversity-Ziele und die daraus abgeleiteten Maßnahmen fehlen, um „equal“ zu werden. „Sobald diese stehen, glaube ich auch, dass sich die IT-Branche in den nächsten zehn Jahren zumindest dem Trend anpasst, um von 50:50 sprechen zu können.“
Eine weniger optimistische Position vertritt adesso-Consultant Corinna Vehlow: „Ich denke, wirklich ‚equal‘ im Sinn von 50 Prozent Frauenanteil wird die IT-Branche wohl nie werden.“ Der Grund sei, dass grundsätzlich immer mehr Männer als Frauen ein Interesse an diesem Bereich hätten - und ergänzt: „Das ist auch nicht schlimm.“ Ihrer Ansicht nach ist es wahrscheinlicher, dass wir irgendwann 50 Prozent männliche Hebammen oder 50 Prozent männliche Erzieher in den Kindergärten haben werden. Corinna Vehlow hält es sogar für eine ziemlich realitätsferne Erwartungshaltung, dass irgendwann 50 Prozent der Beschäftigten in der IT Frauen sind. „Wir sollten uns realistischere Ziele setzen und versuchen, die Quote an die Anzahl der Interessentinnen anzulehnen. Aus meiner Sicht ist es viel wichtiger, diejenigen, die ein Interesse haben, nicht abzuschrecken und ihnen nicht unnötig Steine in den Weg zu legen, als zu versuchen, Frauen für die IT zu begeistern, die von Grund auf kein Interesse an dem Thema haben.“ Wenn Mädchen oder auch Jungen aber Interesse an der IT zeigten, dann solle man dieses frühzeitig fördern und ihnen so ein Stück weit den Weg ebnen.
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