WebRTC - Die Web Real-Time Communication

„WebRTC verändert die Art und Weise des Arbeitens“

von - 27.07.2015
com! professional hat mit Björn Schwarze, geschäftsführender Gesellschafter der Addix Internet Services GmbH, über das Potenzial von WebRTC gesprochen.
com! professional: Herr Schwarze, Sie sind seit drei Jahren mit WebRTC-basierten Konferenzlösungen am Markt, was sind Ihre Erfahrungen?
Björn Schwarze: Das funktioniert mittlerweile sehr zuverlässig und fängt langsam an, Spaß zu machen. Mittlerweile vermitteln wir über das AhoyRTC Gateway 1,7 Millionen Minuten pro Woche, bei ungefähr 55.000 Gesprächen pro Tag.
Björn Schwarze, geschäftsführender Gesellschafter der Addix Internet Services GmbH
Björn Schwarze, geschäftsführender Gesellschafter der Addix Internet Services GmbH
com! professional: Verdienen Sie damit Geld?
Schwarze: Mit unserer Konferenzlösung AhoyConference verdienen wir kein Geld, das ist unser Schaufenster. Wir haben aber auch kommerzielle Angebote. So nutzt etwa ein Provider aus Indien unsere Infrastruktur, um darüber Telefonie anzubieten.
com! professional: Worin sehen Sie die wesentlichen Vorteile von WebRTC?
Schwarze: WebRTC vereint erstmals in einem offenen Standard die Kommunikation über Video und Sprache mit der Daten­übertragung und der Zusammenarbeit. Es ist Teil des Browsers, Sie müssen keine Software installieren und sich keine Gedanken um die Infrastruktur machen. Ich bekomme damit quasi auf einen Schlag eine Echtzeitanwendung, die ohne Modifikation oder Installation sofort auf Milliarden von Endgeräten funktioniert. Zudem lässt sich die Oberfläche komplett an die eigenen Anforderungen anpassen. Das ist zum ersten Mal in einem so übergreifenden Standard möglich. Bisher musste ich mir eine Videokonferenzlösung kaufen oder mit Skype eine Vereinbarung treffen, dass ich an die APIs ran darf. Bei WebRTC ist alles offen, und genau darin sehe ich die große Chance.
com! professional: Facebook und Google bieten ja auch die Möglichkeit zur direkten Kommunikation aus dem Browser, was ist bei WebRTC anders?
Schwarze: Über WebRTC können sich Menschen anonym vernetzen, das ist der Riesenunterschied und auch das Riesen­potenzial. Ein Kunde von uns ist die norddeutsche Diakonie, die anonyme Suchtberatung über unsere Plattform anbietet. WebRTC ist auch ein Weg, der totalen Überwachung zu entkommen, denken Sie nur an die Vorratsdatenspeicherung, die ja wieder auf der Agenda steht. Gespräche, die über WebRTC stattfinden, sind peer-to-peer und durchgängig verschlüsselt. Es dürfte sehr schwer und aufwendig werden, das zu überwachen.
com! professional: Ist WebRTC auch ein Angriff auf die Vermittlungshoheit der Telekommunikationsanbieter?
Schwarze: Absolut. Ich brauche kein Telefonvermittlungsnetz oder IMS (IP Multimedia Subsystem) mehr, man nutzt DNS (Domain Name Service). Nicht umsonst versuchen die Telekommunikationsanbieter das Thema WebRTC kleinzuhalten. Aber sie werden scheitern wie bei Voice over IP. WebRTC hört außerdem nicht bei der direkten Anrufbarkeit auf, ich kann auch den Daten­kanal benutzen und Dokumente austauschen. Das lässt sich gar nicht von­einander unterscheiden. Ich sehe WebRTC aber auch als Chance für alle Car­rier, die den Breitbandausbau vorantreiben wollen.
com! professional: Wie sehen Sie den Einfluss auf die Anbieter professioneller Videokonferenzlösungen wie Avaya, Cisco oder Polycom?
Schwarze: Die müssen sich erst mal keine Sorgen machen, ihr Kerngeschäft ist noch nicht bedroht. Was diese Anbieter allerdings durchaus Marktanteile kosten könnte, ist WebRTC auf Apple-Geräten. Wir machen gerade erste Gehversuche mit unserer AhoyConference App für iPad im Apple App Store. Die Übertragungsqualität ist überragend. Da sehe ich eine echte Gefahr für die Anbieter von Konferenzlösungen, weil es eben so gigantisch einfach ist. Wir setzen mit dieser Lösung gerade ein Projekt für eine Sparkasse um, in dem Berater aus dem Kundengespräch heraus einen Experten kontaktieren und hinzuziehen können. Die haben natürlich auch mit den gängigen Anbietern von Kommunikationslösungen gesprochen, aber das wäre um Größenordnungen teurer geworden.
com! professional: Sollten sich mittelständische Unternehmen schon heute mit WebRTC beschäftigen? Falls ja: in welcher Form?
Schwarze: Ich rate jedem CIO und IT-Verantwortlichen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, um zu verstehen, was man mit dieser Technik machen kann. WebRTC verändert die Art und Weise des Arbeitens völlig. Dank AhoyConference führe ich viel mehr Gespräche, ich habe eine Idee, wie die Gesprächspartner aussehen, ich bekomme auch ein Gefühl dafür, wer innovationsbereit ist und wer nicht.
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