Wandel bei den Infrastruktur-Herstellern

Dell & EMC - Storage-Marktführer in Westeuropa

von - 19.02.2016
In den Anfangsjahren des IT-Imperiums Dell aus Austin/Texas rühmte sich der Firmengründer Michael Dell anders als die großen, schwerfälligen PC- und Server-Hersteller agiert und den Direktvertrieb per Telefon, Fax oder Internet erfunden und zu einem extrem erfolgreichen Geschäftsmodell gemacht zu haben. Doch die Konkurrenz schlief nicht: Sie stellte ebenfalls ihre Produktion auf weniger Lagerhaltung und günstigere Produktionsstandorte um und bescherte Dell herbe Absatzprobleme. Um das börsennotierte Unternehmen wieder in die Gewinnzone zurückzuführen, baute Michael Dell das Unternehmen radikal um. Er kaufte Technologie ein und erwarb für über 15 Milliarden Dollar mehr als 30 Unternehmen.
Storage-Marktführer: In Westeuropa beherrschen mit großem Abstand die beiden Hersteller Dell und EMC den Speichermarkt – mit zusammen 30 Prozent Marktanteil.
Storage-Marktführer: In Westeuropa beherrschen mit großem Abstand die beiden Hersteller Dell und EMC den Speichermarkt – mit zusammen 30 Prozent Marktanteil.
2013 wurde Dell privatisiert und gehört seitdem wieder seinem Gründer. Zusammen mit dem Hedgefonds Silver Lake Partners zahlte Michael Dell für etwa 25 Milliarden Dollar die Aktionäre aus. Niemand – so die Begründung – solle mehr in die Geschäftspolitik hineinreden können, wie es bei Aktiengesellschaften üblich sei.
Unter einer nachlassenden Kauf­bereitschaft leiden bei Speichergeräten und Servern alle großen Hersteller – auch Dell. Neue Technologien wie Flash oder Storage as a Service verdrängen ältere Speichersysteme und mit Virtualisierung und Cloud reduziert sich die Anzahl der physikalischen Server in den Rechenzentren. Deshalb plant Dell nun die Übernahme von EMC, Spezialist für Speichersysteme und Virtualisierung, um in diesem Umfeld erfolgreich zu bestehen.
Der amerikanische Analyst Robin Harris urteilt: „Dell kauft EMC, um ein größeres Computerunternehmen zu schaffen: Das könnte genial sein – oder auch das letzte Fanal eines untergehenden Geschäftsmodells. Die Perspektive von Dell ist simpel: Etwa 50 Prozent seines Umsatzes stammt von PCs – deren Markt schrumpft. Dell braucht dringend höhere Margen und nicht schrumpfende Märkte.“
Joe Tucci
Joe Tucci
CEO von EMC
www.emc.com
„Wir glauben, dass es besser ist, im Ver­bund von EMC, Pivotal, RSA, VCE, Virtustream und VMware den Weg in die Cloud zu gehen als getrennt von­einander.“
EMC ist ein Unternehmen mit höheren Margen, und CEO Joe Tucci hat mit Pivotal Labs und Flash-Speicher gute Eisen im Feuer, meint Harris. Außerdem bleibt VMware das Kronjuwel von EMC und trägt zu 70 Prozent zur Marktkapitalisierung bei. „Doch hier beginnen die Probleme“, so Harris. Wenn Dell erfolgreich sein wolle, müsse der Konzern weiterhin dafür sorgen, dass VMware allen anderen Herstellern, Resellern oder OEMs offenstehe. Die strategische Bedeutung von VMware – und sein geschäftlicher Erfolg – könnten ihren Höhepunkt aber auch schon überschritten haben, besonders wenn man die wachsende Bedrohung durch die Virtualisierungstechnologien von Microsoft oder Docker bedenke. Nicht so gut stehe es auch um etwa 50 Prozent von EMCs langfristigem Speichergeschäft. Hier würden die Verkäufe immer weiter zurückgehen.
Noch, so Harris, ist es also keineswegs ausgemacht, dass der Deal ein Erfolg wird. Viel hänge von künftigen Entscheidungen ab sowie von dem offenen Szenario beim Thema Cloud, in dem es noch keine eindeutigen Sieger gebe. So wie in den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts einige große Hersteller wie DEC oder Wang aus der IT-Szene verschwunden seien, könne sich jetzt etwas Ähnliches wiederholen.
EMC hatte in der Vergangenheit zahlreiche Firmen zugekauft, zum Beispiel Documentum, VMware, RSA Security, Iomega, Mozy, DataDomain, Isilon, ExtremIO, Cloudscaling, Spanning und Virtustream. EMC bot danach einfach alles an, und man stand bei allen großen Trendkampagnen der letzten Jahre immer mit an vorderster Front – ob bei Cloud, Big Data, Flash, Software-defined Storage oder Hadoop-Clustern. Und mit dem Joint Venture aus VMware, Cisco und EMC konnte man sogar bei Converged Computing, zusammengesetzten Einheiten aus Virtualisierungsschicht (VMware), Netzwerk und Compute (Cisco) sowie Storage (EMC), mitreden und beachtliche Marktanteile erreichen.
Josh Krischer
Josh Krischer
Analyst bei Krischer & Associates
www.joshkrischer.com
„Sehr viele Übernahmen sind gescheitert. So konnte Compaq mit der Akquisition von DEC nichts anfangen, und später war HP nicht in der Lage, Compaq zu integrieren.“
Der Analyst Josh Krischer von Krischer & Associates ist der Ansicht, dass das von EMC angestrebte Bündnis aus sechs unabhängig handelnden Unternehmen (EMC, VMware, Pivotal, RSA Security, VCE und Virtustream) nur teilweise geklappt hat. Das gelte besonders für die vielen Zukäufe: „Viele Akquisitionen, darunter Data­Domain oder Isilon, sind von EMC nur unzureichend inte­griert worden. Überhaupt sind sehr viele Übernahmen in der Vergangenheit gescheitert. So konnte Compaq mit der Akquisition von DEC nichts anfangen, und später war HP nicht in der Lage, Compaq zu integrieren.“ Dies sei ein allgemeines Phänomen in der IT-Industrie.
Noch bevor der Dell-EMC-Deal endgültig abgesegnet ist, stellen sich Kunden und Partner Fragen nach dem Verbleib der langjährigen Ansprechpartner oder der Weiterführung von Wartung und Support. Doch Bernd Sengpiehl zum Beispiel, Head of IT & Software Development Haufe-Lexware, sieht keine besonderen Herausforderungen auf die IT in seinem Unternehmen zukommen: „EMC hatte uns Kunden auf der EMC World 2015 in Las Vegas eine Bestandserklärung für das Hardware-Geschäft gegeben. Nicht alle IT-Hersteller machen so etwas. Insofern fühle ich mich als Kunde angesichts der Nachricht von dem geplanten Deal mit Dell recht entspannt.“ Er resümiert: „Für uns ist dieser Deal ein ganz normales Geschäft, und Dell verfügt selbst nicht über die Speicherkompetenz, wie sie EMC besitzt. Meiner Einschätzung nach wird es die EMC-Technologie also auf jeden Fall auch weiterhin geben.“
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