Vorsprung durch digitale Zwillinge

Grundlegende Trends

von - 26.11.2018
Reradata
Sensordaten von Windparks: Teradata erstellt für jede Windkraft­anlage einen digitalen Zwilling, der die Sensordaten verarbeitet und verschiedene umsetzbare Szenarien simuliert. Machine-Learning-Algorithmen schlagen dabei Optimierungsmaßnahmen vor.
(Quelle: Teradata)
Diese Evolution der digitalen Zwillinge wäre ohne technologische Sprünge gleich in mehreren IT-Bereichen kaum möglich. Software und Hardware sind in den letzten Jahren deutlich performanter, anwenderfreundlicher und kostengünstiger geworden. Das betrifft sowohl die Simulationswerkzeuge für die Produktentwicklung und die Möglichkeiten, digitale Modelle in echtzeitfähigen Umgebungen zu betreiben, als auch die Methoden zur Sammlung und Analyse von „Daten aus dem Feld“.
Mario Pothen, Leiter des Kompetenzfelds Digitalisierung und Vernetzung am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, bilanziert: „Sensoren und deren Schnittstellen zu Auswertungssystemen werden erschwinglicher, sodass es sich auch bei kleineren Bauteilen rentiert, die entsprechenden Daten zu erheben und einen digitalen Zwilling aufzubauen.“
Die großen Datenmengen, die dabei entstehen, sind eines der Schlüsselelemente. „Das Konzept von digitalen Zwillingen existiert seit über 15 Jahren“, sagt Tera­data-CTO Stephen Brobst. Aus seiner Sicht ist ihre steigende Popularität hauptsächlich auf die Verfügbarkeit von Daten zurückzuführen, was es ermöglicht, die Fähigkeiten der digitalen Zwillinge selbst für komplexe Systeme nutzbar zu machen.
Als weitere Antriebskräfte für die fortschreitende Ausbreitung des Konzepts der digitalen Zwillinge auf weitere Bereiche nennt IBM-Experte Steffen Hartmaier die drastisch gesunkenen Kosten für Analysen und Künstliche Intelligenz, die dank Cloud-Technologie inzwischen auch für kleinere Anwendungsfälle wirtschaftlich sein können.
Steffen Hartmaier
Steffen Hartmaier
Leitender Technischer Architekt für das Thema IoT bei IBM
www.ibm.com/de-de
„Insbesondere software-basierte Eigenschaften können [dank digitaler Zwillinge] häufig auch während der Laufzeit eines Produkts noch angepasst werden.“
Der breitere Einsatz digitaler Zwillinge verdankt sich aber nicht nur den Entwicklungen im Technologiebereich. Er bedient letztlich auch Zeitgeistbedürfnisse und -herausforderungen. Produkte werden heute immer komplexer und die Wartung umfangreicher und kostenintensiver. Herkömmliche Modelle und Prototypen liefern aber nicht genügend Informationen, um ihr Verhalten und ihre zukünftige Leistung vorherzusagen, stellt Siemens-Senior-Director Tom Maurer fest: „Der Wert eines digitalen Zwillings steigt mit der Komplexität von Produkten und Fertigungsprozessen in Form von intelligenten Produkten und intelligenten Fabriken.“
Auch die in den letzten Jahren gewachsene Erkenntnis, dass sich über Software oder Daten eine Veredelung von Produkten oder sogar zusätzliche Geschäftsmodelle etablieren lassen, ist eine der treibenden Kräfte hinter den digitalen Zwillingen. Thomas Zanzinger von Ansys erklärt diesen Effekt so: „Der digitale Zwilling und damit die Möglichkeit der prädiktiven Wartung sind innovative Strategien für neue Businessmodelle wie zum Beispiel Product as a Service, um dem Wettbewerb einen Schritt voraus zu sein.“
Kategorisierung von digitalen Zwillingen
Digitale Zwillinge lassen sich in Kategorien einordnen - je nachdem welchem Zweck sie dienen. Nach Ansicht des Gartner-Experten Alexander Höppe sagt dies allerdings nichts über Methoden, erforderliche Kompetenzen und deren Komplexität aus - die ausschlaggebenden Kriterien dafür, inwieweit ein Unternehmen in diese Technologie investiert. Die folgende Einordnung ermöglicht jedoch grundlegende Aussagen über Standardisierungsgrad, Komplexität und Eigentumsverhältnisse:
  • Geschlossene digitale Zwillinge: Diese werden von Ausrüstungs-OEMs geliefert und gesteuert.
  • Geteilte digitale Zwillinge: OEMs erlauben eine gemeinsame Nutzung von Daten mit Partnern und eine Erweiterung durch Kunden.
  • Offene digitale Zwillinge: Jeder kann sie uneingeschränkt nutzen oder erweitern.
Verwandte Themen