The show must go on - auch in der Krise

Digitale Transformation

von - 12.05.2020
Abgesehen von der Corona-Krise
Abgesehen von der Corona-Krise: Wie viele Buchungen diesem Reisebüro wohl aufgrund des ausgefallenen Werbe-Displays entgehen?
(Quelle: Marco Schulz)
Der Begriff Digitalisierung wird mittlerweile inflationär verwendet, was man unter anderem daran erkennt, dass ihn Politiker oft zusammenhanglos in ihre Äußerungen einbauen. Ähnlich verhielt es sich Ende der 1990er-Jahre mit dem papierlosen Büro, hier wurden gute Ideen durch Überregulierung und Ignoranz kaputtgetreten. Um den Erfolg eines Unternehmens aufrechterhalten zu können, ist es notwendig, die Organisationsstruktur für Veränderungen offen zu halten.
Das führt zu einer weiteren Erkenntnis: Organisationen, deren Führungsebene keine technischen Zusammenhänge verstehen kann und darauf aufbauend Entscheidungen trifft, sind langfristig nicht zukunftsfähig.
Man sollte sich die Frage stellen, ob es immer erst extremer Situationen wie des Corornavirus bedarf, um auch unkonventionelle Ideen zuzulassen. So sind etwa die technologischen Voraussetzungen für Heimarbeit in der Software-Industrie vollständig vorhanden. Auch Aspekte der Sicherheit wurden ausführlich berücksichtigt. Virtuelle Maschinen, die in sich geschlossen sind und dennoch Zugriff auf die Infrastruktur der einzelnen Entwicklungsabteilungen haben, bilden hier den Einstiegspunkt, um Homeoffice erfolgreich einzuführen. Spezialisten, die beratend eine solche Transformation begleiten können, wird man allerdings kaum über Stellenausschreibungen bei Gulp, Xing oder ähnlichen Portalen finden.
Es wird auch nicht funktionieren, wenn das Management enthusiastisch verkündet, dass ab kommendem Tag alle Homeoffice machen. Nicht jeder ist für diese Art des Vorgehens geeignet. Eine gute Durchmischung von Bürozeiten und Heimarbeit ist besonders in der Einführungsphase notwendig. Probleme, die entstehen können, ergeben sich aus Kommunikationsdefiziten. Wer isoliert am heimischen Schreibtisch seine Aufgaben abarbeitet, ist von der restlichen Gruppe abgeschnitten und erhält wichtige Informationen nicht. Die kurzen Gespräche in der Kaffeeküche, um Probleme zu besprechen und Lösungen zu finden, gibt es dann nicht mehr. Das macht es erforderlich, bereits andere Kommunikationskanäle etabliert zu haben. Aber auch hier gilt, nicht jeder Mitarbeiter kann mit jedem Werkzeug optimal umgehen. Dafür sind wir Menschen zu individuell. Hier ist es wichtig, mehrere Optionen zu Auswahl bereitzuhalten.

Überzeugungskünste

Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Organisation nicht in der Lage ist, sämtliches Know-how selbst zu entwickeln. Die Gründe dafür sind vielfältig. Diese Defizite mit Beratern auszugleichen, ist ein empfehlenswerter Ansatz.
Allerdings steckt auch bei dieser Strategie der Teufel im Detail: Neues Wissen kann nur dann in eine Firma eingebracht werden, wenn der dazu Auserkorene auch tatsächlich über dieses Wissen verfügt. Zum anderen muss er auch den Willen haben, dieses Wissen mit seinen Kollegen zu teilen. Dies ist aber auch kein einseitiges Unterfangen. Werden vorgebrachte Ratschläge permanent abgewiesen, hält man auf Dauer keine Experten im Team. Geeignete Protagonisten findet man erfahrungsgemäß nicht so leicht. Um dem entgegenzuwirken, haben sich direkte Empfehlungen als probates Mittel etabliert. Als Personalverantwortlicher sollte man nicht dem Irrglauben erliegen, dass das eigene Unternehmen für hochspezialisierte Kandidaten so attraktiv ist, dass diese eine Festanstellung in Erwägung ziehen. Unabhängigkeit und das Wissen um die eigenen Fähigkeiten sind Argumente, die Selbstständige gegenüber einem Firmenwagen und einer Fitnessclubmitgliedschaft höher priorisieren.
Man stelle sich einmal folgende Situation vor: Über verschiedene Veröffentlichungen zu einer Thematik, die für ein Unternehmen relevant ist, ist man auf eine Person aufmerksam geworden. Bemerkenswerte Vorträge auf Konferenzen und kompetente Veröffentlichungen auf dem persönlichen Blog unterstreichen die fachliche Eignung. Erfolgt nun eine Kontaktaufnahme durch einen Vermittler mit einem Anschreiben nach dem Muster „Für ein führendes Unternehmen auf dem Gebiet X suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt zur Festanstellung …“, ist es nicht schwer, die Reaktion zu er­raten. Kompetente Leute erwarten auch einfallsreiche Per­sonalvermittler. Um in der Not auf hochqualifizierte Spezialisten flexibel zurückgreifen zu können, ist es hilfreich, bereits vorher eine gute Auswahl parat zu haben. Dies erreicht man nur, indem man Zeit investiert, um solche Kontakte aufzubauen. Beauftragt man damit Dritte, die ihren eigenen Geschäftszielen verantwortlich sind, könnte es sein, dass man sich mit weniger geeigneten Kandidaten zufriedengeben muss.
Praxisbeispiel II: Gruppendynamik
Eine gute Übung, die die Dynamik von Gruppen erfahrbar macht, kommt aus der Kommunikationswissenschaft.
Eine Gruppe von Personen stellt sich im Kreis auf. Zu Beginn hält jeder zweite einen Ball unterschiedlicher Größe, den er nach eigenem Ermessen einem anderen Gruppenmitglied zuwirft. Der etwas abseits stehende Trainer gibt durch Klatschen den Takt vor, wie schnell die Bälle sich gegenseitig zugeworfen werden. Nach kurzer Zeit bringt der Trainer weitere Bälle ins Spiel, indem er diese wahllos einzelnen Personen der Gruppe zuwirft. Nachdem gleich viele Bälle in der Runde zirkulieren wie Personen in der Gruppe sind, wird die Rotationsgeschwindigkeit der Bälle erhöht.
Die Teilnehmer erfahren, dass unterschiedlich große Bälle sich verschieden schwierig fangen lassen und dass hin und wieder ein Ball zu Boden fällt, der dann wieder aufgehoben werden muss. Zwischenzeitlich wird die Taktfrequenz durch den Trainer variiert. Irgendwann werden weitere Bälle durch den Trainer ins Spiel gebracht, sodass mehr Bälle als Gruppenmitglieder vorhanden sind.
In der Kommunikationswissenschaft stehen die Bälle für Nachrichten. Durch ihre unterschiedliche Größe symbolisieren sie, wie schwierig es ist, unterschiedliche Nachrichten zu erfassen. Diese Übung verdeutlicht aber auch die Auswirkungen, die Optimierungen auf Systeme haben.
Die Erkenntnis, die daraus erwächst: Organisationen, die schon im Normalbetrieb an ihren Grenzen arbeiten, haben keine Reserven, um in Notsituationen reagieren zu können.
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