Supply Chain Management (SCM)
Blockchain - Kette des Vertrauens
von Jürgen Mauerer - 05.07.2019
Eine dritte wichtige Technologie für die Lieferkette ist die Blockchain. Sie steht für sichere, direkte Transaktionen im Internet. Über die Technologie lassen sich Prozesse in der Supply Chain digitalisieren, automatisieren und absichern. „Durch die Globalisierung hat sich die Komplexität der Lieferketten erhöht, Materialien lassen sich nur schwer rückverfolgen. Über die Blockchain teilen Unternehmen und Zulieferer wichtige Informationen und sorgen für Transparenz. Damit lassen sich auch Produktfälschungen erheblich einschränken“, erklärt IDC-Analystin Lynn-Kristin Thorenz.
Mittlerweile gibt es für den Einsatz der Blockchain im internationalen Handel und in der Logistik viele Prototypen von Anwendungen, aber noch sehr wenige Use-Cases, die voll umgesetzt sind. „Der Grund ist, dass viele nicht die technologische Reife besitzen. Auch fehlen Standards und das Verständnis davon, wie die Blockchain Lieferketten tatsächlich verbessern könnte - oder sollte“, erklärt Alex Pradhan, Senior Principal Research Analyst beim Beratungshaus Gartner. „Dazu ist der Projektumfang oft zu ehrgeizig bemessen. Das alles führt dazu, dass der Markt unter ‚Blockchain-Müdigkeit‘ leidet.“ Laut Gartner werden bis 2023 rund 90 Prozent der Initiativen für blockchainbasierte Lieferketten aufgrund fehlender oder schwacher Anwendungsfälle ermüden.
Transparenz in der Lieferkette
Doch trotz dieser pessimistischen Prognose zeichnet sich das Potenzial der Blockchain in der Supply Chain bereits ab. Beispiel Handel mit Lebensmitteln wie Fleisch: Da Fleisch verderblich ist, müssen Firmen ihre Lieferkette genauestens überwachen, um Qualitätsmängel oder durch das Fleisch verursachte Krankheiten zu identifizieren. Entstand das Problem beim Landwirt, bei einem Hersteller von Fertiggerichten, beim Transport durch einen Spediteur oder haben die Mitarbeiter im Supermarkt die Kühlkette zu lange unterbrochen? Das herauszufinden, ist vor allem bei weltweiten Lieferketten schwierig und kostet Zeit, da Informationen über Waren und Transaktionen meist verteilt bei den Lieferanten liegen.
Abhilfe schafft hier die Blockchain. Das zeigt ein Projekt, das IBM gemeinsam mit Walmart zur Verfolgung von Schweinefleischlieferungen in China umgesetzt hat. Dort waren die Informationen zu den Gliedern der Lieferkette binnen Sekunden verfügbar. Produktinformationen wie Herkunftsbetrieb, Chargennummer, Verarbeitungsdaten oder auch die Einhaltung der Kühlkette werden digital in der Blockchain gespeichert und lassen sich zuverlässig rückverfolgen. So kann auch die Quelle von verunreinigten Produkten rasch ausfindig gemacht werden. Verspätungen im Materialfluss, das Verschwinden von Gütern und das Ausbleiben von Zahlungen lassen sich ebenfalls verlässlich klären.
Das Prinzip Blockchain
Eine Blockchain schafft damit Transparenz und Vertrauen. Man kann sich die Blockchain wie ein Kassenbuch vorstellen, in das alle Transaktionen eingetragen werden. Dieses Kassenbuch ist aber nicht zentral auf einem einzigen Server gespeichert, sondern als dezentrale Datenbank auf Computern weltweit verteilt und verschlüsselt. Auf jedem Computer befindet sich eine identische Kopie aller Transaktionen. Die Transaktionen werden in Blöcken zusammengefasst, die eine Kette bilden. Ist ein Block vollständig, wird der nächste erzeugt. Jede neue Transaktion wird vermerkt und dann von den Rechnern authentifiziert, auf denen die Kassenbücher gespeichert sind. Erst dann ist die Transaktion gültig. In unserem Beispiel „Lieferkette Schweinefleisch“ würde ein Block beispielsweise die Bestellung des Schweins mit Lieferdatum anzeigen, ein anderer die Annahme im Schlachthaus, die Weiterverarbeitung beim Hersteller von Fertiggerichten et cetera. Die Informationen sind unveränderlich und für jeden Berechtigten sichtbar gespeichert. Alles ist transparent, Manipulationen sind im Prinzip unmöglich.
Für Carsten Knauer, Leiter Sektion Logistik beim BME, wird es richtig interessant bei der verknüpften Nutzung von Blockchain, IoT und KI. „Also zum Beispiel wenn Daten über den Zustand und Ort einer Lieferung mittels Sensoren erfasst werden, diese Daten über das IoT mit Daten anderer Geräte verknüpft und ausgewertet werden, eine KI die nächsten Entscheidungen trifft und das in einer Blockchain sicher und unveränderbar gespeichert wird.“
Digitale Herausforderungen
Doch noch ist nicht alles Gold, was glänzt. Als Hemmnisse für die Digitalisierung der Lieferkette nennt Knauer vor allem fehlendes Fachpersonal, die komplexe Integration in die bestehende Systemlandschaft der Supply Chain, oft hohe Investitionskosten und eine fehlende Digitalisierungsstrategie. Lynn-Kristin Thorenz sieht die Hürden ähnlich, legt aber den Fokus auf die Integration in andere Systeme. „Der richtige Mehrwert entsteht erst dann, wenn die Lieferkette vom Einkauf über Produktion bis hin zum Verkauf durchgängig erfasst wird und es keine Lücken zwischen den verschiedenen Systemen gibt, in denen Daten vorgehalten werden und in Echtzeit zur Verfügung stehen. Ein wichtiges Thema bleibt hier auch die Datenqualität. Firmen müssen zudem ihre internen Prozesse überdenken, wenn sie ihre Supply Chain verbessern wollen.“
Peter Frerichs von Inform zufolge spielen auch die Kultur und die Haltung eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter zu Kooperation und Innovation in der Lieferkette eine entscheidende Rolle. „Neuerungen sind auch eine Frage der Offenheit, Fehlerkultur und des Umgangs mit Problemen. Man kann Probleme auch als Chance sehen. Gefragt ist das Lean-Start-up-Prinzip mit schnellem Ausprobieren und Verwerfen von Projekten in der Supply Chain. In Deutschland herrscht das Sicherheitsdenken vor, es gibt keine Kultur des Scheiterns.“