Warum Scheitern zum Wettbewerbsvorteil wird

Schöner scheitern

von - 12.07.2018
Wie man anders und konstruktiver mit Fehlern umgehen kann, zeigen sogenannte „Fuckup Nights“. Auf ihnen zelebrieren vornehmlich Startups und Jungunternehmern etwas, was die etablierte Wirtschaft so sehr scheut wie der Teufel das Weihwasser: das Scheitern. „Fesselnde Geschichten vom Scheitern, zerrüttenden (sic!) Existenzen und Phönixen aus der Asche“ verspricht beispielsweise FuckUp Nights Berlin den „Freunden des Scheiterns“. Die Events sind Teil einer globalen Bewegung. Sie werden laut der Webseite fuckupnights.com mittlerweile in über 80 Ländern und 250 Städten veranstaltet.
Dem deutschen Vorreiter aus der Startup-Metropole Berlin sind auch hier zu Lande längst Dutzende weiterer Locations gefolgt. Fehler-Festivals finden sich in allen großen deutschen Städten – von Flensburg und Kiel über Leipzig und Jena, Frankfurt und Mannheim, Hannover und Bielefeld bis nach Nürnberg und München. Alexander Thamm, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Data-Science-Beratung Alexander Thamm GmbH, empfiehlt den Besuch solcher Veranstaltungen: „Aus Fuckup-Nights kann man viel mehr lernen als aus tollen, im Nachhinein meist auch noch ausgeschmückten Erfolgsgeschichten.“
Alexander Thamm
Alexander Thamm
Gründer der Alexander Thamm GmbH
www.alexanderthamm.com/de
Foto: Alexander Thamm GmbH
"Aus Fuck-up-Nights kann man viel mehr lernen als aus tollen, im Nachhinein meist auich nocht ausgeschmückten Erfolgsgeschichten"
Auch Mittelständer sollten offen für diese Erfahrung sein, rät Winfried Berner: „Überall dort, wo Unternehmen Neuland betreten, muss sich die Risikobereitschaft erhöhen. Dabei steigt natürlich auch die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns.“ In solchen Bereichen gelte selbst für den konservativsten Mittelständler: „Wenn nichts schief geht, waren wir zu vorsichtig.“ Gerade Familienunternehmen hätten das zum Teil sehr gut verstanden, auch wenn ihnen die Logik ihres eigenen Handelns häufig gar nicht bewusst sei: „Manche haben sogar ein schlechtes Gefühl, wenn sie bei Fehlern mit zweierlei Maß messen.“ Für solche Unternehmen sei es geradezu befreiend, wenn man ihnen erklärt, dass sie genau damit alles richtig machen. „Dem Markt ist es letztendlich egal, ob man aus dem Bauch heraus oder reflektiert handelt. Es hilft aber einem selbst, wenn man versteht was man tut, weil es die Handlungssicherheit erhöht.“ Susanne Thielecke von LaRenzow Personal warnt allerdings davor, das Versagen unreflektiert zu zelebrieren: „Eine gesunde Fehlerkultur zielt darauf ab, ein Scheitern so weit wie möglich zu verhindern.“

Fazit & Ausblick

Fehler sind menschlich und passieren ständig. Meist sind sie uns peinlich, manche haben gravierende Folgen oder können sogar zu Katastrophen führen. Es ist also verständlich, dass wir sie so weit wie möglich vermeiden wollen und nur ungern zugeben. Für Unternehmen kann dieses Verhalten jedoch gravierende Nachteile mit sich bringen. Eine ängstliche Risikoscheu führt zu Erstarrung und Absicherungsorgien. Sie verhindert, dass Arbeitsabläufe, Produkte oder Geschäftsmodelle verbessert oder erneuert werden können. Wer immer alles so macht wie bisher, macht vielleicht nichts falsch, aber sicher auch nicht alles richtig.
Prjekte mit der höchsten Kostenüberschreitung
Quelle: Hertie School of Governance
Während das ängstliche Vermeiden von Fehlern vor allem die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens beeinträchtigt, hat das Vertuschen oder Verschweigen direkte Auswirkungen auf den aktuellen Unternehmenserfolg. Nicht aufgedeckte oder erkannte Fehler potenzieren sich in der Wertschöpfungskette und führen zu hohen Folgekosten. Besonders gravierend ist ein solches Verhalten, wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen. Es ist daher kein Wunder, dass Luftfahrtgesellschaften und Krankenhäuser sich intensiv mit dem richtigen Fehlermanagement befassen.
In diesen Institutionen hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass Strafen dabei eher kontraproduktiv sind, da sie die Hemmschwelle erhöhen, einen Fehler zu melden oder zuzugeben. Leider ist dies noch nicht flächendeckend in die Wirtschaft durchgedrungen. In vielen Unternehmen herrscht nach wie vor das „Drei-Affen-Prinzip“, wenn es um Fehler geht: Bloß nichts hören, sehen oder sagen. Hierarchische Strukturen, ein Klima gegenseitigen Misstrauens und ein hoher interner Konkurrenzdruck verschärfen das Problem und können zu Skandalen wie dem BER oder der Dieselaffäre führen.
Sollte man Fehler also feiern, wie es Startups gerne in ihren Fuckup Nights tun? Wohl kaum, schließlich wünschen wir uns von anderen auch eine möglichst fehlerfreie Ausübung ihrer Tätigkeit, sei es bei der Postzustellung, beim Bäcker, im Taxi oder im Krankenhaus. Wohl aber sollten Unternehmen einen anderen Umgang mit ihnen einüben. „Fehler dürfen gemacht und müssen offen benannt werden“, sagt Susanne Thielecke von LaRenzow Personal, „Wer jedes Risiko scheut, wird in unserer schnelllebigen digitalen Welt nicht erfolgreich sein.“
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