Die richtige All-IP-Strategie für Unternehmen

Fazit und Interview mit Andreas Steinkopf

von - 14.01.2016
Schaut man sich die Vita der Deutschen Telekom und anderer Telefongesellschaften an, die den Trend zur IP-Telefonie lange verschlafen haben, wundert es nicht, dass viele Unternehmen sich noch reserviert zeigen. Zwar haben die Bundesnetzagentur und andere Regulierungsbehörden in Europa dafür gesorgt, dass bestehende ISDN-Hardware über Gateways in der IP-Welt weiter genutzt werden kann. Mittel- und langfristig sollten B2B-Kunden sich aber für SIP-Trunking oder gleich für eine Cloud-Lösung entscheiden. Die zusätzlichen Funktionen mögen heute noch keine große Rolle spielen, könnten morgen aber im inter­nationalen Wettbewerb entscheidend sein.
Andreas Steinkopf

Interview

„Neue Technik muss reifen, so auch SIP-Trunking“
Andreas Steinkopf ist Produktmanager IP-Telefonie bei der QSC AG. Im Interview mit com! professional geht es um den Einsatz von Voice over IP in Unternehmen und um SIP-Trunks als ISDN-Ersatz.
com! professional: Während die Deutsche Telekom SIP-Trunks erst zur CeBIT 2016 angekündigt hat, sind Sie schon lange dabei. Was bedeutet das für QSC und andere Anbieter?
Andreas Steinkopf: Die Einführung des SIP-DDI-Protokolls (Session Initiation Protocol, Direct Dial In) 2006 hat gebracht, dass mit einer SIP-Regis­trierung ein ganzer Rufnummernblock von der TK-Anlage angemeldet werden konnte und wie bei ISDN-Primärmultiplex-Anschlüssen ein ganzer Rufnummernblock und mehr Kanäle zur Verfügung stehen. Wir waren damals einer der ersten, die SIP-Trunks für Geschäftskunden liefern konnten, und sehen eine echte Chance durch die forsche VoIP-Strategie der Deutschen Telekom einerseits und die Lücke, die sie in dem Bereich noch bietet andererseits. Neue Technik muss reifen, so auch die SIP-Trunking-Technologie.
com! professional: Wie hoch sind die Kosten für die SIP-Trunks und gibt es dafür Mengenrabatte?
Steinkopf: Bei den Kosten hat man in der Regel eine ähnliche Skalierung wie bei ISDN, nämlich über die Anzahl an verfügbaren Sprachkanälen. Während man bei ISDN-Primärmultiplex nur in 30er-Schritten skalieren kann, sind bei SIP-Trunks kleinere Schritte wie 10er- oder gar Einerschritte möglich. Bei QSC gibt es Mengen- beziehungsweise Staffelrabatte auf längere Vertragslaufzeiten und auf die Anzahl an gebuchten Sprachkanälen. Zudem gibt es einen weiteren Rabatt, wenn der Kunde zum SIP-Trunk auch eine Anschlussleitung (Internet oder IP-VPN) von QSC bucht. Von 1,50 Euro bei zehn gebuchten Kanälen und zwölf Monaten Vertragslaufzeit gehen die Preise bei 300 Kanälen und 60 Monaten Laufzeit in Kombination mit einem QSC-Internetanschluss auf 0,36 Euro im Monat pro Kanal herunter.
com! professional: Viele Unternehmen in Deutschland sind mit ISDN sehr zufrieden und fürchten höhere Kosten oder gar Leistungseinbußen durch Voice over IP. Was kann man dem entgegenhalten?
Steinkopf: Manche ISDN-Leistungsmerkmale wie „Rückruf bei besetzt“ oder der Gebührenimpuls stehen beim SIP-Trunk nicht mehr zur Verfügung. Aber es gibt auch viele neue Dinge, die ISDN nicht kann. Aus meiner Sicht überwiegt mittlerweile das Mehr. Dazu gehört die komplette ITK-Konvergenz, die neben der Senkung der Managementkosten unter anderem auch eine einfachere oder tiefere CTI (Rechner-Telefonie-Integration) in Unified-Communications-&-Collaboration-Applikationen ermöglicht. Ebenso wie der neue G.722-Codec, der eine doppelte Audiobandbreite bietet. Bei dem von ISDN übernommenen G.711-Codec bewirkt die IP-Übertragung ein höheres Delay (Verzögerung), Jitter (Schwanken) und Packet Loss (Paketverlust), was den MOS (Mean Opinion Score) im Vergleich zur reinen ISDN-Übertragung in der Tat etwas senkt. Bei verlustfreien IP-Übertragungsstrecken mit bis etwa 50 Millisekunden Delay nimmt man dies aber nicht wahr.
com! professional: Sind Unternehmen dazu verdammt, nach 2018 oder 2022 die ganze ISDN-Hardware über Bord zu werfen?
Steinkopf: Nein. Geschäftskunden, die an einen ISDN-Anschluss gebunden sind, können wir ab 79 Euro/Monat ein ISDN-Gateway mit einem 30-Kanal-Primärmultiplex-Anschluss anbieten – und das natürlich über 2022 hinaus. Besitzt der Kunde jedoch schon eine moderne Server- und damit IP-basierte TK-Anlage, muss er für diese ein ISDN-Gateway erwerben, wenn er sie an einem ISDN-Sprachanschluss anschließen will. Somit müssten der Kunde und der Carrier jeweils so ein Gateway bereitstellen, was in der IP-Welt sicher nicht das Ziel sein kann und eigentlich unsinnig ist, nur um 30 Zentimeter ISDN-Verbindung aufrechtzuerhalten.
Hier reduziert SIP-Trunking eindeutig die Komplexität und die Kosten. Zudem bieten verschiedene TK-Anlagenhersteller die Möglichkeit, alte Zweidraht-Telefone auch an ihrer neuesten, IP-basierten TK-Anlage weiterzubetreiben. Somit können diese Telefone, die ja meist die größte Investition darstellen, über Jahre hinweg sukzessive gegen IP-Telefone gewechselt werden. Diese sind im Übrigen auch nicht mehr so teuer. Ab etwa 100 Euro gibt es schon gute IP-Geschäftskundentelefone.
com! professional: Investitionen fallen trotzdem an, dabei wollen viele Unternehmen doch einfach nur wie gewohnt telefonieren und nicht mehr.
Steinkopf: Je nach Hardware-Bestand können Anschubkosten durch neue multimediafähige Switches und IP-Übertragungskomponenten wie Firewalls anfallen. Der deutsche Mittelstand muss sich aber auch bewusst sein, dass er in einem internationalen Wettbewerb steht. Und da kommt es darauf an, die Effizienz und Effektivität der Mitarbeiter zu optimieren, zum Beispiel durch die einfache Rufsteuerung übers Handy, durch Remote Office, Click-to-Dial für das Wählen einer Rufnummer per Mausklick und so weiter. Viele Unternehmen beginnen auch erst, die Möglichkeiten des Desktop-Sharings, der Webinare und Videokonferenzen über Microsoft Lync und anderer Systeme zu entdecken, die wesentlich günstiger sind als Geschäftsreisen.
Verwandte Themen